- In der Stadt Tobruk im Osten von Libyen haben wütende Demonstranten am Freitagabend das Parlament angegriffen, wie Augenzeugen laut Nachrichtenagenturen berichten.
- Nach Protesten in mehreren Städten wächst die Sorge vor weiterer Gewalt.
- Die Demonstranten forderten eine Auflösung des Parlaments, Neuwahlen, eine bessere Stromversorgung und niedrigere Brotpreise.
Angesichts einer «fragilen Lage» mahnte der EU-Botschafter im nordafrikanischen Land, José Sabadell, am Samstag zu Zurückhaltung. «Proteste müssen friedlich ablaufen und von ohne jegliche Gewalt», sagte er.
Die UNO-Sonderberaterin für Libyen, Stephanie Williams, appellierte ebenfalls an alle Beteiligten, Ruhe zu bewahren. Gewaltakte wie die Stürmung des Parlaments seien «völlig inakzeptabel».
In der Stadt Tobruk im Osten Lybiens hatten wütende Demonstranten am Freitagabend das Parlament angegriffen, Steine geworfen und Feuer gelegt, wie Augenzeugen berichteten. In sozialen Medien war das Video eines Bulldozers zu sehen, der ein Tor des Parlaments rammt. Libysche Medien veröffentlichten am Samstag ein Foto des beschädigten Gebäudes mit schwarzen Spuren an der Fassade.
Auch in anderen Städten kam es nach Berichten von Augenzeugen zu Protesten, darunter in der Hauptstadt Tripolis, den Küstenstädten Misrata, Sirte und Bengasi sowie Sabha im Süden.
Einige Demonstranten blockierten Strassen und zündeten Reifen an. Sie forderten eine Auflösung der beiden seit Monaten um die Macht ringenden Regierungen und landesweite Wahlen, ausserdem eine bessere Stromversorgung und niedrigere Brotpreise.
Ringen um die Macht
Tote oder Verletzte gab es offiziellen Angaben zufolge nicht. Am Samstag war die Lage insgesamt ruhig. Die Nachrichtenseite Al-Wasat berichtete von einem «Freitag des Zorns» – eine Anspielung auf das Motto «Tag des Zorns», unter dem Gegner von Langzeitmachthaber Muammar al-Gaddafi 2011 auf die Strasse gegangen waren. Nach der gewaltsamen Niederschlagung dieser Proteste und dem Sturz Gaddafis brach im Land ein Bürgerkrieg aus.
In Libyen ringen die Regierungen um Ministerpräsident Abdul Hamid Dbaiba sowie Ex-Innenminister Fathi Baschaga seit Monaten um die Macht. Gespräche der verfeindeten Lager über eine mögliche Präsidentschaftswahl und die rechtlichen Grundlagen dafür endeten in Kairo und Genf ergebnislos. Die Wahl sollte eigentlich im Dezember stattfinden, scheiterte aber unter anderem am Streit über die Zulassung von Kandidaten.