«Ich werde die Sache von Alexej Nawalny fortsetzen und um unser Land kämpfen. Ich rufe Euch auf, an meiner Seite zu stehen», sagte Julia Nawalnaja in einer am Montag veröffentlichten emotionalen Videobotschaft auf Youtube.
Unter Tränen warf die zweifache Mutter Kremlchef Wladimir Putin vor, nicht nur ihren Mann getötet zu haben. Putin habe so auch versucht, Russland die Hoffnung auf Freiheit und Gerechtigkeit zu nehmen. Deshalb wolle sie den Kampf ihres Mannes nun fortsetzen.
Putin habe ihr den liebsten und wertvollsten Menschen genommen, die Hälfte ihrer Seele und ihres Herzens, sagte Nawalnaja. Mit der anderen Hälfte wolle sie wie ihr Mann gegen Ungerechtigkeit und Korruption und für ein freies Russland kämpfen.
Bereits am Freitag hatte sie für Aufsehen gesorgt. Nur wenige Stunden nachdem der Tod ihres Mannes bekannt gegeben wurde, trat sie spontan vor die Kameras an der Münchner Sicherheitskonferenz. In einer kurzen Rede rief sie die gesamte internationale Gemeinschaft auf, das «furchtbare Regime» in Russland zu besiegen.
Wer ist Julia Nawalnaja?
Einer breiten Öffentlichkeit ausserhalb Russlands wurde die heute 47-Jährige am 21. August 2020 bekannt. Am Tag davor wurde ihr Mann Opfer eines Giftanschlags.
Während dieser im Koma lag, stand Nawalnaja in Lederjacke und Sonnenbrille vor dem Spital in der sibirischen Stadt Omsk und forderte die Welt auf, das Leben ihres Mannes zu retten. Sie organisierte die Überführung in die Berliner Charité, um Nawalny nach dem Giftanschlag eine sichere ärztliche Behandlung zu ermöglichen. Dies gelang.
Zuvor stand sie selten im Rampenlicht. Dies überliess sie ihrem Mann. Obwohl Mitstreiter Nawalnys bereits während dessen Inhaftierung versuchten, sie zum Einstieg in die Politik zu überreden, lehnte sie dies ab. Sie betonte stets, sie sei in erster Linie Mutter und Ehefrau und wolle sich darauf konzentrieren.
Ökonomin und Bankangestellte
Dabei hatte sie schon damals mehr vorzuweisen: In der renommierten Plechanow-Universität für Wirtschaftswissenschaften in Moskau hatte Nawalnaja Internationale Beziehungen studiert und nach einer Stelle als Doktorandin einige Zeit für eine Bank gearbeitet.
Julia Nawalnaja
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Bild 1 von 9. Ein Bild aus besseren Zeiten: Julia Nawalnaja zusammen mit Alexej bei einem Oppositionsmarsch am 12. Juni 2013 in Moskau. Bildquelle: Keystone/AP Photo/Alexander Zemlianichenko.
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Bild 2 von 9. Das Paar bei einem Gerichtstermin in Kirow am 18. Juli 2013. Nawalny wurde damals wegen Veruntreuung zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Bildquelle: Keystone/AP Photo/Dmitry Lovetsky.
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Bild 3 von 9. Die Familie Nawalny geht zu einem Wahllokal am 8. September 2013. Alexej erzielte überraschend ein Wahlresultat von 30 Prozent für die Bürgermeisterwahl in Moskau. Bildquelle: Keystone/AP Photo/Evgeny Feldman.
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Bild 4 von 9. Am 17. Januar 2021 kehrten die beiden nach der Vergiftung Nawalnys aus Deutschland nach Russland zurück. Nawalny wurde noch am Flughafen in Moskau verhaftet. Bildquelle: Instagram/Alexej Navalny.
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Bild 5 von 9. Menschen applaudieren Julia Nawalnaja während einer Oppositionskundgebung in Moskau am 21. April 2021. Bildquelle: Keystone/EPA/SERGEI ILNITSKY.
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Bild 6 von 9. Eines der letzten bekannten Treffen des Ehepaares: Hier auf einer Aufnahme eines Bildschirms während einer aussergerichtlichen Verhandlung in einer Strafkolonie in Pokrow, Region Wladimir, am 15. Februar 2022. Bildquelle: Keystone/EPA/YURI KOCHETKOV.
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Bild 7 von 9. Zahar Navalny, Julia Navalnaja, Maria Pevchikh, Odessa Rae und Dasha Navalnaja bei der Vanity Fair Oscar Party 2023 im Anschluss an die 95. jährliche Oscar-Verleihung im Wallis Annenberg Center for the Performing Arts in Beverly Hills, Kalifornien, USA, am 12. März 2023. Navalnaja erhielt den Preis für einen Dokumentarfilm über ihren Ehemann. Bildquelle: Keystone/EPA/NINA PROMMER.
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Bild 8 von 9. Nawalnaja spricht an der Müncher Sicherheitskonferenz am letzten Freitag. Bildquelle: Keystone/Kai Pfaffenbach/Pool Photo via AP.
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Bild 9 von 9. Nawalnaja mit dem Chef der EU-Aussenpolitik, Josep Borrell, vor einem Treffen der EU-Aussenminister im Gebäude des Europäischen Rates in Brüssel, 19. Februar 2024. Bildquelle: Keystone/Yves Herman, Pool Photo via AP.
1998 lernte sie während Türkei-Ferien den gleichaltrigen Juristen Alexei Nawalny kennen, den sie zwei Jahre später heiratete. Im selben Jahr schlossen sich die beiden gemeinsam einer Oppositions-Partei an. Kurz vor der Geburt des zweiten gemeinsamen Kindes 2007 wurde sie dann Assistentin und Sekretärin ihres Mannes.
Tritt sie in Nawalnys Fussstapfen?
Nach dem Tod von Alexej Nawalny fragen sich nun viele, wer die durch Festnahmen dezimierte oder ins Exil getriebene russische Opposition als Führungsfigur hinter sich vereinen könnte.
Manche setzen auf Nawalnaja und ihre gemeinsame Tochter Darja als neue Leitsterne der russischen Opposition. Dabei werden oft Parallelelen zur belarussischen Oppositionspolitikerin Swetlana Tichanowskaja gezogen, die ebenfalls nach der Inhaftierung ihres Mannes zur populären Figur wurde, dann aber ins Ausland fliehen musste.
«Ich habe keine Angst», sagte Nawalnaja am Montag vor den EU-Aussenministern mit Blick auf eine Aussage Nawalnys, der die Menschen in Russland immer wieder zum Widerstand gegen Putin aufgerufen hatte.
Nawalnaja wollte nie im Rampenlicht stehen. Die Geschichte wollte es anders.
Proteste nach Nawalnys Tod
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Bild 1 von 5. Der russische Oppositionsführer und scharfe Kremlkritiker Alexej Nawalny ist im Alter von 47 Jahren in einer Strafkolonie des Föderalen Strafvollzugsdienstes des Autonomen Bezirks der Jamal-Nenzen gestorben. In Genf vor dem UNO-Hauptquartier versammelten sich Trauernde und Protestierende. Bildquelle: Keystone / Martial Trezzini.
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Bild 2 von 5. Während einer Demonstration in Zürich nach dem Tod von Alexej Nawalny machen Protestierende deutlich, wen sie für schuldig am Tod des Kremlkritikers halten. Bildquelle: Keystone / Michael Buholzer.
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Bild 3 von 5. Es ist nicht nur Protest. Viele Menschen sind schlicht nur traurig und schockiert, wie hier bei einer grösseren Demonstration in Berlin. Bildquelle: Keystone / Kay Nietfeld.
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Bild 4 von 5. Klare Worte an der Demo in Berlin. Für viele Menschen ist der russische Präsident Wladimir Putin «ein Mörder» und sein Regime menschenverachtend. Bildquelle: Keystone / Kay Nietfeld.
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Bild 5 von 5. Für viele Demonstrierende – wie hier vor dem russischen Generalkonsulat in Bonn – ist eine russisch-europäische Zukunft mit Putin kaum mehr denkbar. Bildquelle: Keystone / Benjamin Westhoff.