- Nach einer chaotischen Landtagssitzung hat die CDU-Fraktion das Landesverfassungsgericht angerufen. Die Sitzung wurde unterbrochen.
- Hintergrund des Streits ist der Anspruch der AfD, als stärkste Fraktion den Landtagspräsidenten zu stellen.
- Die anderen Parteien wollen eine Präsidentin oder einen Präsidenten aus der Mitte des Parlaments. Denn die AfD ist in Thüringen als gesichert rechtsextrem eingestuft.
Schwer erträglich», «beschämend», «skandalös», «destruktiv»: Die erste Sitzung des Landtags im ostdeutschen Bundesland Thüringen ist im Chaos mit Ordnungsrufen, Unterbrechungen, rhythmischen Klatschen von Abgeordneten und lautem Lachen versunken.
Sie geriet zur Dauerkonfrontation zwischen einer erstarkten AfD mit ihrem Rechtsaussen-Politiker Björn Höcke an der Spitze und den vier anderen Fraktionen CDU, Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), Linke, und Sozialdemokraten (SPD) – und endete mit der Anrufung des Verfassungsgerichts durch die CDU-Fraktion.
Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Andreas Bühl, sprach vom letzten Mittel, damit Thüringens Parlament überhaupt arbeitsfähig wird. Die Sitzung wurde danach unterbrochen, bis die höchsten Thüringer Richter entschieden haben. Am Samstag startet das Parlament einen zweiten Anlauf.
Nach vielen Stunden hatte es der Landtag immer noch nicht geschafft, seine Beschlussfähigkeit zumindest festzustellen. Eigentlich sollte ein Landtagspräsident gewählt werden – darum ging es letztlich beim Kräftemessen.
Die AfD pocht auf ihr Vorschlagsrecht für die Landtagsspitze, weil sie erstmals in einem deutschen Landesparlament die stärkste Fraktion wurde. Christdemokraten, BSW, Linke und SPD haben jedoch erklärt, sie wollten der AfD, die in Thüringen vom Landesverfassungsschutz als erwiesen rechtsextremistisch eingestuft ist, das Spitzenamt im Parlament nicht überlassen.
Was im Landtag konkret passierte
Über mehrere Stunden redete der Alterspräsident der AfD, Jürgen Treutler. Er weigerte sich stundenlang, dass der Landtag auf Antrag der anderen Parteien eine neue Geschäftsordnung beschliessen kann.
Der CDU-Abgeordnete Andreas Bühl warf ihm danach vor, mehrfach die Verfassung gebrochen und die Rechte der Mehrheit des neuen Landtages verletzt zu haben. Da Treutler keine inhaltliche Debatte zugelassen habe, werde man nun vor den Thüringer Verfassungsgerichtshof ziehen. Dieser muss feststellen, ob es rechtens ist, dass sich die neu gewählten Abgeordneten eine neue Geschäftsordnung geben.
Bühl sagte, man wolle beim Verfassungsgerichtshof einen einstweiligen Erlass beantragen, mit dem Ziel, dass Treutler nach der von der bisherigen Landtagspräsidentin erstellten Tagesordnung verfährt und eine Abstimmung über die Änderung der Geschäftsordnung durchführt.
Testlauf für AfD in deutschem Parlament
Die Wahl des Landtagspräsidenten gilt als Testfall dafür, wie die AfD Blockademöglichkeiten in einem deutschen Parlament nutzen wird und ob die anderen Parteien in der Ablehnung von AfD-Ansprüchen zusammenarbeiten.
Die AfD hat im Landtag in Erfurt 32 Sitze, danach kommen die CDU mit 23 Sitzen, das BSW mit 15, die Linke mit zwölf und die SPD mit sechs Sitzen. Eine Regierungsbildung ist unter anderem schwierig, weil die CDU eine Koalition mit den Linken ausschliesst.