Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik ist eine vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte Partei stärkste Kraft in einem Landesparlament. Der Druck der Wählerschaft auf die AfD könnte steigen, auch einmal etwas mehr als Protest zu bieten, schätzt Wolfang Schröder, Politikwissenschaftler und AfD-Experte an der Universität Kassel.
SRF News: Die Alternative für Deutschland (AfD) schreibt bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen Geschichte. Was heisst das für die Partei auf nationaler Ebene?
Wolfgang Schröder: Sie kann noch selbstbewusster auftreten und vermitteln, dass ihre Themen auch jene der aktuellen Bundesregierung sein müssten. Dies spielt sich vor allem beim Thema Migrationsstopp und bei der Haltung zum Krieg Russlands gegen die Ukraine ab.
Die AfD hat in Thüringen gewonnen und ist nun zweitstärkste Kraft in Sachsen, wird aber voraussichtlich in beiden Bundesländern nicht regieren können. Was sagt das über die Partei?
Das zeigt, dass der radikale Kurs dieser Partei gleichzeitig auch die Grenzen der politischen Möglichkeiten setzt: Umso erfolgreicher die AfD mit ihrem Kurs an der Wahlurne wird, desto erfolgloser wird sie im Hinblick auf eine Machtbeteiligung.
Müsste sich die Partei also mässigen, wenn sie in irgendeinem Bundesland an die Regierung kommen wollte?
Ja. Das lässt sich auch gut an Frankreich, Italien oder der Schweiz illustrieren, dass eine Rechtsaussen-Partei nur dann eine Chance hat, wenn sie gewisse Zugeständnisse macht, etwas konzilianter auftritt und ihre vordergründige Radikalität etwas abschwächt.
Es gibt aus dem völkischen Flügel der AfD eine Strömung. Sie sieht, dass sie sich etwas anders aufstellen muss, um weiterzukommen.
Wäre es vorstellbar, dass sich die AfD etwas mässigt, um in eine Regierung zu kommen?
Gegenwärtig nicht. Dies zeigten im Sommer gerade wieder die Europawahlen, bei denen die AfD von den anderen rechtsextremen Parteien als zu extrem identifiziert worden war. Sie flog aus allen europäischen Zusammenschlüssen heraus und ist jetzt dabei, eine eigene Partei jenseits der aktuellen Hauptkräfte in Frankreich und Italien zu bilden. Innerhalb der AfD bildet sich aber eine neue Strömung heraus. Es sind jüngere Leute, die auch aus dem völkischen Flügel stammen. Sie sehen, dass sie sich etwas anders aufstellen müssen, wenn sie weiterkommen wollen.
Wie könnte die Politik der AfD nun aussehen in den beiden Bundesländern?
Die AfD hat im normalen Regierungsalltag vorerst keine Chance, sich direkt zu artikulieren. Das wird sie weidlich ausnützen, indem sie betonen wird, wie am Wählerwillen vorbei regiert werde. Sie kann sich weiterhin als Opfer und als Partei präsentieren, welche sich für die Übergangenen einsetzt.
Denkbar ist, dass die AfD jetzt den Druck der Wählerschaft verspürt, auch etwas bieten zu müssen.
Erwarten Sie von der AfD jetzt hauptsächlich Protestpolitik oder könnte es irgendwo konstruktiv werden?
Bisher ist es mit dem Konstruktiven nicht so weit, weil die Partei bekanntlich eine andere Republik, ein anderes politisches System will. Denkbar ist aber, dass sie unter dem Druck, den sie jetzt auch von der Wählerschaft verspürt, etwas bieten muss. Die Schuld immer nur den Anderen zu geben, ist auch einmal zu Ende.
Das Gespräch führte Susanne Stöckl.