- Die Spitze der deutschen Grünen zieht nach den Misserfolgen der Partei bei mehreren Wahlen personelle Konsequenzen.
- Die Co-Vorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour gaben in Berlin den Rücktritt des gesamten Parteivorstandes im November bekannt.
«Es braucht einen Neustart», sagte Nouripour. Auf dem Bundesparteitag Mitte November solle ein neuer Vorstand gewählt werden.
Die Grünen hatten in Deutschland bei den vier zurückliegenden Wahlen – der Europawahl und den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg – drastische Verluste erlitten. In Brandenburg haben sie ihr Ergebnis mehr als halbiert. Aus zwei Landtagen flogen sie hinaus. Allein in Sachsen gelang ihnen knapp der Wiedereinzug ins Landesparlament.
Jetzt ist nicht die Zeit, am eigenen Stuhl zu kleben. Jetzt ist die Zeit, Verantwortung zu übernehmen und wir übernehmen diese Verantwortung, indem wir einen Neustart ermöglichen.
Wahlforscher ermittelten auch, dass die Grünen gerade bei jüngeren Wählern – ihrer früheren Klientel – an Zustimmung verloren. «Es braucht neue Gesichter, um die Partei aus dieser Krise zu führen», sagte Lang. «Jetzt ist nicht die Zeit, am eigenen Stuhl zu kleben. Jetzt ist die Zeit, Verantwortung zu übernehmen und wir übernehmen diese Verantwortung, indem wir einen Neustart ermöglichen», fügte sie hinzu.
In der Partei relativ beliebt
Lang und Nouripour waren Ende Januar 2022 zu Co-Vorsitzenden gewählt worden. Dass zwischen ihnen – anders als bei manchen Vorgängern – keine Rivalitäten und Meinungsverschiedenheiten zu spüren waren, rechnen ihnen viele Grünen-Mitglieder hoch an.
Der grosse Feng-Shui-Moment wird wohl nicht mehr kommen.
Schon am Montag hatte Nouripour relativ resigniert geklungen. Er sprach von einer bitteren Niederlage in Brandenburg und zeigte sich zugleich konsterniert über den Zustand der Ampel. «Der grosse Feng-Shui-Moment wird wohl nicht mehr kommen und das glaubt mir auch niemand mehr, wenn ich das sage», sagte er nach Beratungen des Parteivorstands.
«Wir machen unsere Arbeit, wir versuchen, das Land nach vorne zu bringen und fühlen uns auch an den Koalitionsvertrag, an das, was miteinander vereinbart worden ist, gebunden», sagte der Grünen-Chef. «Aber das ist es auch dann.»
In Umfragen erstmals unter der Zehn-Prozent-Marke
In der «Ampel»-Koalition in Berlin stellen die Grünen fünf Ministerinnen und Minister, Wirtschaftsminister Robert Habeck ist zugleich Vizekanzler. In Baden-Württemberg gibt es den einzigen grünen Ministerpräsidenten (Winfried Kretschmann). Wegen ihrer jüngsten Wahlniederlagen schrumpft ihr Gewicht auf Länderebene.
In nationalen Umfragen waren die Grünen zuletzt erstmals seit Jahren wieder unter die Zehn-Prozent-Marke gefallen. Bei der Europawahl im Juni hatten sie deutschlandweit enttäuschende 11.9 Prozente geholt – nach mehr als 20 Prozent bei der Wahl 2019.