Die CDU wählt morgen Freitag eine neue Parteispitze. Angela Merkel hatte Ende Oktober bekanntgegeben, sie werde den Parteivorsitz nach 18 Jahren abgeben. Im Rennen sind Annegret Kramp-Karrenbauer, Friedrich Merz und Jens Spahn. SRF-Korrespondent Peter Voegeli sagt, wer die besten Karten hat – und bald auch schon das Kanzleramt anpeilen dürfte. Denn der oder die Parteichefin der CDU hat den ersten Zugriff auf die Kanzlerkandidatur bei den nächsten Wahlen.
SRF News: Welcher Kandidat hat die besten Chancen, Merkels Nachfolge anzutreten?
Peter Voegeli: Kramp-Karrenbauer liegt vor Merz. Der Gesundheitsminister Spahn ist klar abgeschlagen auf dem dritten Platz. Das ist aber das Bild in der veröffentlichten Meinung in den Medien. Ich würde sagen: Wenn es ein Wettrennen wäre, wäre Merz Zweiter – aber noch nicht abgeschlagen vor dem Zieleinlauf. Spahn und Merz nehmen sich gegenseitig Stimmen weg. Es muss also einen zweiten Wahlgang geben, damit einer von ihnen Chance auf das direkte Duell mit Kramp-Karrenbauer hat.
Kramp-Karrenbauer und Merz haben also gute Chancen. Wie wird sich die politische Ausrichtung der CDU verändern, wenn einer von ihnen künftig an der Parteispitze steht?
Mit Merz würde das politische System in Deutschland wieder so funktionieren, wie es gemeint war. Das deutsche System lebt von der Konkurrenz zweier grosser Parteien: Eine Regierung und eine starke Opposition kämpfen um die Macht; also, dass die SPD den Kanzler oder die Kanzlerin selber stellen will und nicht wie in den letzten Jahren als Juniorpartner der Union wird. Die CDU würde wieder konservativer und der AfD Stimmen wegnehmen. Die SPD bekäme Mitte-links wieder Luft. Die Grünen würden wahrscheinlich auch etwas verlieren. In den Umfragen werden sie wohl überbewertet.
Kramp-Karrenbauer wäre eher ein Zeichen für eine Stabilisieriung der Regierungskoalition.
Merkel hat die Union stark in die Mitte gerückt. Sie hat mit der ihrem Konzept der «asymmetrischen Demobilisierung» geschafft, dass niemand ohne die CDU regieren kann. Die Idee dahinter ist, dass die anderen Parteien mehr Wähler verlieren als die Union, respektive ihre Wähler nicht mobiliseren. Der Preis dieser Taktik war aber eine Verwischung der Konturen.
Kramp-Karrenbauer hat einen ähnlichen Stil wie Merkel. Sie ist zwar rhetorisch klarer, was sie als Parteivorsitzende auch bleiben könnte. Schliesslich wäre sie nicht gleichzeitig Kanzlerin einer Koalitionsregierung. Sobald es aber konkret wird, bleibt sie vage. Kürzlich etwa in der Diskussionssendung «Anne Will». Erst forderte sie, man müsse die Russen im Ukraine-Konflikt stoppen. Auf Nachfrage konnte sie aber kaum konkrete Massnahmen nennen. Merz ist dagegen kantiger.
Welchen Einfluss wird eine neue Parteispitze auf die verbleibende Amtszeit von Merkel als Kanzlerin haben?
Kramp-Karrenbauer und Merkel funktionieren gut zusammen. Sie würde Merkel nicht stürzen wollen, wenn es nicht politische nötig ist. Bei Merz scheint es, dass es mehr knirschen würde. Es gibt zwischen ihnen auch noch alte Rechnungen aus dem Anfang des Jahrtausends. Merkel behauptet natürlich, eine allfällige Zusammenarbeit mit Merz würde gut funktionieren. Es gebe keinen Grund für Neuwahlen. Das hängt von der politischen Lage ab. SPD, CDU und CSU versuchen aber ganz offensichtlich, diese Koalition zu retten. Sie stand ja schon mehrfach am Abgrund. Kramp-Karrenbauer wäre eher ein Zeichen für eine solche Stabilisierung.
Das Gespräch führte Teresa Delgado.