Am Sonntag ist der iranische Präsident Ebrahim Raisi bei einem Helikopterabsturz ums Leben gekommen. Mit seinem Tod dürfte im Land ein heftiger Machtkampf ausbrechen. Davon gehen zumindest einige Analysten und Beobachterinnen aus. Iran-Kennerin Natalie Amiri von der ARD schätzt die Lage ein.
SRF News: Kommt es jetzt zum heftigen politischen Machtkampf in Iran?
Natalie Amiri: Es gibt schon länger einen Machtkampf innerhalb der politischen Elite der Islamischen Republik. Übergeordnet geht es immer um die Nachfolge des inzwischen schon 85-jährigen Ajatollah Chamenei. Und Raisi galt eben als einer der Spitzenkandidaten für die Nachfolge. Er wurde regelrecht aufgebaut dafür.
Die Auswahl an möglichen Nachfolgern nimmt ab.
Raisi war ein Kandidat, auf den sich die Hardliner hätten einigen können. Ein weiterer Kandidat, der sehr viel umstrittener ist, ist Modschtaba Chamenei, der Sohn des amtierenden Revolutionsführers. Er ist der favorisierte Kandidat von Chamenei. Wobei man gehört hat, dass Chamenei kürzlich angedeutet haben soll, dass er jemand anderen vorziehen würde. Dieser jemand war Raisi, doch der ist jetzt tot.
Sie sagen, dass dem iranischen Regime die möglichen Nachfolger fehlen. Welche Personen sind denn derzeit überhaupt im Rennen?
Die Auswahl an möglichen Nachfolgern nimmt ab. Es gibt zum Beispiel den konservativen Kandidaten Bagher Ghalibaf. Er war schon dreimal Präsidentschaftskandidat. Er war Bürgermeister von Teheran und ist jetzt Parlamentspräsident. Er könnte ein Anwärter auf den Präsidentschaftsposten sein.
Dann gibt es auch noch den ehemaligen Aussenminister Mohammed Dschawad Sarif, der immer wieder seine Absicht erklärt hat, zu kandidieren, das dann aber wieder bestritten hat. Es wird innerhalb der konservativen Strömung heftig um diesen Posten gekämpft.
Es wird egal sein, wen Chamenei als Kandidat aufstellen wird.
Ich glaube, egal welcher Kandidat in weniger als zwei Monaten gesetzt wird, dass die Bevölkerung nicht an die Wahlurnen zurückkommen wird. Sie haben dem Regime den Boykott erklärt, das haben sie bei den Parlamentswahlen im März gezeigt. Es wird egal sein, wen Chamenei als Kandidat aufstellen wird.
Der iranische Wächterrat schwächt moderate Politiker immer mehr und verunmöglicht damit eine leichte Öffnung im Land. Könnte Raisis Tod hier etwas ändern?
Nein, überhaupt nicht. Innerhalb des Systems wird es keine Kursänderung geben. Der Wächterrat ist ultrakonservativ. Am Wächterrat müssen alle Kandidaten vorbei. Insofern wird da kein moderater Politiker durchrutschen. Kommt hinzu, dass es gar keine moderateren Politiker gibt. Alle, die in den letzten 45 Jahren einen moderateren Kurs gegangen sind, sind entweder im Exil oder im Gefängnis.
Das Gespräch führte Dominik Rolli.