Ein ehemaliger israelischer Soldat war in Brasilien in den Ferien, als er ins Visier der Strafverfolgung geriet. Ein brasilianischer Richter hatte die Polizei beauftragt, eine Untersuchung gegen den Soldaten wegen Kriegsverbrechen zu eröffnen – der Mann hatte in Gaza gekämpft. Die israelischen Behörden halfen ihm daraufhin bei der Flucht aus Brasilien.
Eingeleitet wurden die Ermittlungen gegen ihn, nachdem die propalästinensische Hind-Rajab-Foundation – benannt nach einem 5-jährigen palästinensischen Mädchen, das im Gazastreifen von israelischen Streitkräften getötet wurde – eine Beschwerde eingereicht hatte. Die Organisation in Belgien hat es sich zur Aufgabe gemacht, mutmassliche Kriegsverbrechen israelischer Soldaten und Offiziere im Gazastreifen aufzudecken und sie weltweit zu verfolgen.
Klagen gegen 1000 israelische Staatsbürger
Die Stiftung sammelt Beweise wie Social-Media-Beiträge und Audio- und Videoaufnahmen. Sie hat bereits rund 1000 Israeli beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag angeklagt. Das bestätigt der Gerichtshof, der auch Haftbefehle gegen Premier Netanjahu und den ehemaligen Verteidigungsminister Joav Galant ausgestellt hat.
Auch im Fall des Soldaten in Brasilien nutzt die Stiftung Beiträge auf den sozialen Medien, die zeigen sollen, dass er an systematischen Zerstörungen von Häusern von Zivilpersonen im Gazastreifen beteiligt gewesen sein soll. Der Anwalt der Stiftung wirft dem Reservesoldaten vor, er habe Aussagen gemacht, die zeigten, dass er einen Völkermord an der palästinensischen Bevölkerung befürworte.
Israel befürchtet Propaganda – trotz Beweisen
Das israelische Aussenministerium sieht in diesen Ermittlungen eine Propaganda-Taktik. Doch tatsächlich sei teilweise verstörend und menschenverachtend, was israelische Soldatinnen und Soldaten auf den sozialen Medien teilen, erklärt SRF-Auslandredaktorin Susanne Brunner: «Sie zeigen Misshandlungen von Palästinensern oder Videos von Hausdurchsuchungen oder -sprengungen. Diese Taten sind mutmassliche Kriegsverbrechen. Mit solchen Posts inkriminieren sie sich selbst und provozieren diese Untersuchungen.»
Solche Klagen gibt es laut der linken israelischen Zeitung Haaretz neben Brasilien auch in Südafrika, Belgien und Frankreich.
Unsicherheit für reisende Israelis
Viele junge Menschen reisen nach ihrem Militärdienst ins Ausland. Doch die Unsicherheit wächst: Obschon die israelischen Behörden sagen, es gebe nur eine Handvoll Fälle von Klagen und Untersuchungen gegen israelische Soldaten weltweit, bleiben Sorgen. Viele Israelis fragen sich, ob sie noch ins Ausland reisen können, ohne in Strafverfahren verwickelt zu werden.
Zusätzlich belasten weitere Faktoren die Stimmung, wie Susanne Brunner erklärt: «Neben den Ermittlungen gibt es auch offen antiisraelische und antisemitische Vorfälle. Hinzu kommt, dass nur noch wenige Fluggesellschaften Verbindungen nach Israel anbieten. Das verstärkt das Gefühl der Einengung.»