Die USA fordern von Israel deutliche Verbesserungen der humanitären Lage im Gazastreifen. Andernfalls drohe eine Kürzung der US-Militärhilfe. Trotz dieser Warnung bleibt das Thema in Israel weitgehend unbeachtet. SRF-Auslandredaktorin Susanne Brunner erklärt, warum das so ist. Sie befindet sich zurzeit in Jerusalem.
Warum ist die humanitäre Lage in Gaza kaum ein Thema in Israel?
Dafür gibt es verschiedene Gründe. Ein Hauptgrund: In den israelischen Medien sind Bilder der leidenden Zivilbevölkerung in Gaza kaum zu sehen – erst recht seit dem Verbot des Fernsehsenders «Al Jazeera». Die Regierung vertritt die Meinung, wer das Leid der Menschen in Gaza zeige, helfe der Hamas.
Welche Themen dominieren die Berichterstattung?
Seit Beginn der israelischen Invasion Libanons ist der Krieg im Gazastreifen viel weniger ein Thema als vorher. Berichtet wird vor allem über die rund 100 Geiseln, die noch immer von der Hamas festgehalten werden. Auch der Tod israelischer Soldaten ist grosses Thema. Im Wesentlichen geht es in Medienberichten jedoch vor allem um das Kriegsziel, die Hamas vollständig zu vernichten.
Gibt es Stimmen in Israel, die Mitgefühl für die Menschen in Gaza haben?
Solange die Geiseln in den Händen der Hamas sind, bleibt in Israel wenig Raum für Empathie mit der leidenden Bevölkerung in Gaza. Viele Israelis haben noch immer nicht in ihre Häuser zurückkehren können, sie haben Angehörige verloren. Es gibt jedoch vereinzelt Stimmen, die Mitgefühl mit den Palästinensern zeigen. Einer von ihnen ist Mai Albini Peri, Enkel des jüdisch-israelischen Friedensaktivisten und Künstlers Chaim Peri. Dieser wurde im vergangenen Jahr von der Hamas ermordet. Im Gespräch mit ihm wurde klar: Trotz seines persönlichen Verlusts hat der 29-Jährige den Militärdienst verweigert und er sieht die israelische Besatzung als Gefahr für das Land. Solche Ansichten bleiben jedoch eine Minderheit, da die Bedrohung durch Hamas, Hisbollah und Iran in Israel stark im Vordergrund steht.
Wie reagieren die Palästinenser auf Israels Vorgehen?
Die palästinensische Seite zeigt gar kein Verständnis für die israelische Seite. Sie sehen ständig Bilder der leidenden Zivilbevölkerung in Gaza und in Libanon. Für sie ist das Handeln Israels rachegetrieben und richtet sich gegen die gesamte palästinensische Bevölkerung. Kaum jemand verurteilt öffentlich die Taten der Hamas, aus Angst vor der Hamas oder dem Vorwurf des Verrats. Solange niemand für die israelischen Verbrechen bestraft wird, haben die Palästinenserinnen und Palästinenser auch keine Empathie.
Bietet Jerusalem einen Hoffnungsschimmer?
In Jerusalem leben und arbeiten Juden, Musliminnen und Christen nebeneinander. Sie zeigen: Im Kleinen geht das Zusammenleben. Zwar kommt es auch in Jerusalem regelmässig zu Gewalt gegeneinander. Aber im Gespräch mit den Menschen dort spüre ich das Bemühen, miteinander leben zu wollen. Denn sie alle wissen, eigentlich geht die Zukunft nur zusammen.