In vielen Ländern in Nahost steht das Schicksal des palästinensischen Volkes und das besondere Verhältnis zu Israel im Zentrum der Aussenpolitik. Wie positionieren sie sich im neu eskalierten Konflikt?
Ägypten war das erste arabische Land, das Israel offiziell als Staat anerkannt hat. Zurzeit nimmt das Land eine Schlüsselrolle ein: Kairo versucht, zwischen Israel und der Hamas zu vermitteln – was bereits 2021 nach dem Elf-Tage-Krieg gelang. Weil Ägypten den einzigen nicht-israelischen Grenzübergang in den Gazastreifen kontrolliert, sorgt es sich zugleich um grosse Ströme palästinensischer Flüchtlinge ins eigene Land. Verbindungen der Hamas mit Extremisten im Sinai könnten die Sicherheitslage dort weiter verschlechtern. Zudem besteht die Möglichkeit, dass Israel die Verantwortung für den Gazastreifen Ägypten zukommen lassen will.
Jordanien hat 1994 einen formellen Friedensvertrag mit Israel unterzeichnet. Seine Position in israelisch-palästinensischen Fragen ist allerdings kompliziert: Denn mehr als zwei Millionen registrierte Geflüchtete im Land sowie ein Teil der Bevölkerung sind palästinensischer Herkunft. Als Reaktion auf den aktuellen Konflikt hat das Königreich gewarnt, dass sich der Krieg auf die umliegende Region ausweiten könnte. Jordanien hat inzwischen die USA um Hilfe bei der Sicherung seiner Grenzen gebeten.
Libanon war zuletzt 2006 mit Israel im Krieg. In der Zwischenzeit hat die Hisbollah – eine islamistische schiitische Organisation und erklärter Erzfeind Israels – eine Art Staat im Staat aufgebaut. Ihr Ziel und Auftrag: der Widerstand gegen Israel. Seit Beginn des Konflikts im Oktober kommt es auch an der israelisch-libanesischen Grenze immer wieder zu Beschuss. Eine Eskalation ist nicht auszuschliessen. Die Hisbollah unterhält enge Verbindungen zur Hamas und hat sich klar an der Seite des «palästinensischen Widerstands» positioniert.
Iran hat mit der Islamischen Revolution von 1979 Israel zum Erzfeind erklärt. Die «islamische Republik» hat bislang aber eine Verstrickung mit dem neu eskalierten Konflikt verneint. Staatsoberhaupt Ali Chamenei lobte allerdings den Angriff der Hamas auf Israel. Einige westliche Staaten werfen Teheran vor, die Hamas jahrelang unterstützt zu haben und zumindest indirekt für die Angriffe auf Israel verantwortlich zu sein. Iran dürfte nach Einschätzung von Fachpersonen jedoch kein Interesse an einem Flächenbrand haben.
Die iranische Führung dürfte aber vom Ärger in der arabischen Welt gegen Israel profitieren. Teheran hat seit den 1990er-Jahren seine politischen und militärischen Beziehungen in der Region ausgebaut, um eine «Achse des Widerstands» gegen Israel zu schaffen. So konnte Iran seine Verbindungen zu Syrien und in den Irak ausbauen. Nach jahrelangen massiven Spannungen hat sich das mehrheitlich schiitische Land nun teils auch dem sunnitischen Saudi-Arabien angenähert.
Saudi-Arabien hält sich im Rahmen der aktuellen Eskalation im Vergleich zu anderen Staaten der Region eher zurück: Das Königreich ist für die eigene Sicherheit auf die USA angewiesen, einer der wichtigsten Verbündeten Israels. Gleichzeitig ist Saudi-Arabien aber auch eine Schutzmacht der Palästinenser. Erst Ende September noch besuchte ein offizieller saudischer Vertreter die palästinensischen Gebiete. Gleichzeitig liefen Gespräche zwischen Saudi-Arabien und Israel unter Vermittlung von Washington über eine mögliche Normalisierung der bilateralen Beziehungen. Aus Riad kommen derzeit folglich gemischte Signale. Die mögliche Annäherung an Israel liegt jetzt jedoch wieder auf Eis.
Katar ist im Moment der zentrale Vermittler im Nahostkonflikt. Viele Hoffnungen in Bezug auf eine Feuerpause, Grenzöffnungen oder auch die Freilassung israelischer Geiseln richten sich auf den Kleinstaat. Das reiche Emirat soll den Gazastreifen zudem bisher mit knapp 2 Milliarden Franken unterstützt haben. Die Beziehungen zur Hamas reichen bis in die 1990er Jahre zurück. Nach deren Angriff vom 7. Oktober steigt allerdings der Druck auf Katar, sich von der Hamas loszusagen und auch deren Chef Ismail Hanija nicht weiter zu beheimaten.
Jemen liegt vom Konfliktherd über 1500 Kilometer entfernt. Doch aus dem vom Bürgerkrieg gezeichneten Land gab es in jüngster Zeit bereits versuchte Angriffe auf Israel. Verantwortlich sind offenbar die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen. Das Arsenal der Huthis umfasst auch Kampfdrohnen mit grosser Reichweite, die selbst Radars überlisten können.
Syrien und Israel stehen sich feindlich gegenüber. Schon vor Kriegsbeginn hat Israel syrische Ziele angegriffen, um nach offiziellen Angaben den Einfluss Iran-treuer Milizen zu begrenzen. Nun wurden die Angriffe ausgeweitet, darunter auf die Flughäfen in Damaskus und Aleppo. In Syrien stationierte US-Truppen wurden seit Kriegsbeginn mehrfach mit Drohnen und Raketen angegriffen, das US-Militär reagierte mit Luftangriffen.
Im Irak haben sich diese Angriffe ebenfalls verstärkt: Dort zählten die USA über 10 Attacken auf ihre Truppen. Iran-treue Milizen haben im Land grossen Einfluss, und die alte Diskussion um den Abzug der US-Truppen – derzeit noch rund 2500 Soldaten – ist wieder neu entflammt. Kontakt mit Israel steht im Irak schon seit 2022 unter Strafe. Früher sah das anders aus: 2500 Jahre lang lebten Jüdinnen und Juden im Irak. In Bagdad war einst gar ein Viertel der Bevölkerung jüdisch. Heute ist die Gemeinschaft dort jedoch kaum mehr anzutreffen.
Die Türkei und Israel hatten sich nach jahrelanger Eiszeit eigentlich erst wieder angenähert. Dementsprechend zurückhaltend äusserte sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan kurz nach dem blutigen Angriff der Hamas und schien eine Vermittlerrolle anzustreben. Die türkische Regierung unterhält auch Kontakte zur radikal-islamischen Hamas und will sich nach eigenen Angaben um die Freilassung von Geiseln bemühen. Doch mit den steigenden Opferzahlen im Gazastreifen wurde auch Erdogans Rhetorik schärfer: Er warf Israel einen «Genozid» am palästinensischen Volk vor und beschuldigte Israels Regierung der Kriegsverbrechen. Inzwischen hat Israel alle Diplomaten aus der Türkei abgezogen.