Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine hat den Westen zusammengeschweisst, doch mit Blick auf den Krieg im Nahen Osten gibt es weniger Einigkeit – zum Vorteil der antiwestlichen Allianz unter Führung Chinas und Russlands.
Differenzen waren beispielsweise in der Uno zu vernehmen, wo die USA und Frankreich uneins waren in den Abstimmungen im Sicherheitsrat und in der Vollversammlung. Ähnliche Differenzen dürften sich heute und morgen auch am Treffen der G7-Staaten in Tokio bemerkbar machen, wenn die Aussenministerinnen und Aussenminister eine gemeinsame Nahost-Erklärung zu verfassen versuchen.
Zwar ist unumstritten, dass die israelischen Streitkräfte das Recht haben, nach dem bestialischen Anschlag der radikal-islamischen Hamas deren terroristischen Arm im Gazastreifen zu vernichten. US-Präsident Joe Biden sicherte Israel denn auch militärischen Beistand zu, liess Kriegsschiffe und Kampfjets in den Nahen Osten verlegen. Sein französischer Amtskollege Emmanuel Macron betonte, die Hamas gelte es zu besiegen wie einst den Islamischen Staat (IS).
Einigkeit bei den Details rasch vorbei
Unumstritten ist eigentlich auch, dass dauerhafter Frieden im Nahen Osten nur mit einer Zweistaatenlösung erreicht werden kann. Seit Jahrzehnten wiederholen die westlichen Staaten ebenso gebetsmühlenartig wie erfolglos, neben dem Staat Israel müsse es künftig einen Staat Palästina geben, bestehend aus Ostjerusalem, dem Westjordanland und dem Gazastreifen.
Doch sobald es an vermeintliche Details geht, ist die Einigkeit rasch vorbei. Zum Beispiel: Wie viel Rücksicht muss Israel auf die Zivilbevölkerung im Gazastreifen nehmen? Auf dem Spiel steht dabei auch die künftige Verhandlungsbereitschaft der Palästinenser.
Oder auch: Wie viel Druck soll der Westen auf Israel ausüben, um vorwärtszumachen mit der Zweistaatenlösung? Schliesslich scheiterte die bisher auch an den völkerrechtswidrigen israelischen Siedlungen in Ostjerusalem und im Westjordanland. Und gerade hat der israelische Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu verkündet, im Gazastreifen «auf unbestimmte Zeit» die «Sicherheitsverantwortung» übernehmen zu wollen.
Es steht viel auf dem Spiel
Die Misstöne zwischen den engsten Verbündeten Israels, allen voran den USA und Deutschland, und Israel-kritischeren Staaten wie Frankreich oder Spanien dürften nur noch lauter werden. Zumal weit mehr auf dem Spiel steht als Frieden im Nahen Osten. Wann immer nämlich der Westen Staaten in Asien, Afrika oder Lateinamerika wegen Völkerrechts- oder Menschenrechtsverletzungen kritisiert, reagieren diese Staaten gerne mit dem Hinweis auf die Lage der Palästinenser unter israelischer Besatzung.
Kein Wunder, präsentieren sich Chinas Präsident Xi Jinping und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin nun als Freunde der Palästinenser. Die Eskalation im Nahen Osten hilft ihnen dabei, ihre antiwestliche Allianz zu festigen und auszubauen.
Beim Ringen des Westens um die richtige Haltung gegenüber Israel und den Palästinensern geht es also nicht nur darum, eine weitere Eskalation im Nahen Osten zu verhindern – sondern auch um die Glaubwürdigkeit und den Einfluss des Westens auf der Welt.