Belgien: Die Extremisten wittern Morgenluft
Korrespondent Andreas Reich: In Belgien ist die Vollverschleierung in der Öffentlichkeit seit Juli 2011 landesweit verboten – in einzelnen Gemeinden waren bereits zuvor Verbote in Kraft. Vor der landesweiten Einführung wurde in Belgien intensiv über die Verhältnismässigkeit des Gesetzes debattiert: Unter den rund 800'000 Musliminnen und Muslimen, die in Belgien leben, gibt es laut Schätzungen nur rund 200 bis 400 Burka- oder Nikab-Trägerinnen.
Nach Inkrafttreten des Verbots gingen die Wogen erst recht hoch: Rechtsextreme Politikerinnen und Politiker versprachen Geldprämien für Personen, die vollverschleierte Frauen fotografieren und bei der Polizei melden. Während der Kontrolle einer Nikab-Trägerin durch die Polizei kam es in Brüssel zu Handgreiflichkeiten. In der Folge kam es zu gewaltsamen Protesten von radikal-islamischen Gruppierungen, welche das Burka-Verbot auch für ihre Propaganda nutzten. Inzwischen hat sich die Debatte stark beruhigt. Das Verschleierungsverbot ist im öffentlichen Diskurs zurzeit kaum mehr präsent.
Frankreich: der Schleier und die Werte der Republik
Korrespondentin Mirjam Mathis: Frankreich hat 2010 als erstes europäisches Land das Gesichtsverhüllungsverbot erlassen. Zu dieser Zeit trugen zwischen 350 und 2000 Frauen in Frankreich eine Burka oder einen Nikab. Das Gesetz sieht bei Missachtung eine Geldstrafe von 150 Euro und Staatsbürgerschaftspraktika vor. In den ersten sieben Jahren wurden gemäss der Staatsanwaltschaft 2648 Geldstrafen aufgrund der Missachtung des Gesetzes ausgesprochen, einige Frauen wurden wiederholt gebüsst.
Religiöse Zeichen in der Öffentlichkeit – und insbesondere in öffentlichen Institutionen – sind in Frankreich ein wiederkehrendes Thema. Dies hat auch mit der strengen Trennung von Religion und Staat im laizistischen Frankreich zu tun. Vor wenigen Wochen sorgte der Entscheid der Regierung für Aufruhr, die Abaya an französischen Schulen zu verbieten. Dort wurde sie von ein paar hundert Jugendlichen getragen. Die Argumente ähneln denen für das Gesichtsverhüllungsverbot: Die Werte der Republik sollen geschützt und die Gleichberechtigung der Geschlechter gefördert werden. Ob dieses Ziel mit den Verboten tatsächlich erreicht wird, darüber ist man sich bis heute nicht einig.
Österreich: Corona als «Verschleierungstaktik»
Korrespondent Peter Balzli: Seit 2002 dürfen Demonstrierende in Österreich ihr Gesicht nicht mehr verhüllen. Seit 2017 ist die Gesichtsverhüllung generell verboten. «Burka-Verbot» nennt der Volksmund dieses Gesetz und es soll verhindern, dass sich Musliminnen verhüllen. Erlaubt ist die Gesichtsverhüllung nur noch aus medizinischen Gründen, bei Kälte, bei künstlerischen, kulturellen, traditionellen Veranstaltungen oder im Rahmen der Sportausübung. Bei Verstössen drohen bis zu 150 Euro Busse.
Bloss: Sanktioniert wurde nur in wenigen, meist kuriosen Fällen. Die Maskenpflicht während der Pandemie machte das Gesetz vorerst obsolet. Seither umgehen vereinzelt Touristinnen aus dem Mittleren Osten das Verbot durch das Tragen medizinischer Masken. Im Frühling wurde die Corona-Maskenpflicht aufgehoben. Genau genommen dürfen medizinische Masken jetzt nur noch mit ärztlichem Attest getragen werden. Doch jetzt, wo die Zahl Corona-Fälle wieder ansteigt, bestraft die Polizei Maskenträger ohne Attest kaum. Wenn die Person eine gesundheitliche Begründung glaubhaft machen kann, gibt es keine Busse.
Dänemark: Wenige Fälle, wenige Bussen
Korrespondent Bruno Kaufmann: Im nordischen Königreich ist die Verhüllung des Gesichtes seit fünf Jahren grundsätzlich verboten. Dazu werden neben Burkas und Nikab auch Masken und grosse Sonnenbrillen gerechnet. Gemäss dem geltenden Strafgesetzbuch können Bussen zwischen 100 und – im Wiederholungsfall – bis zu 1000 Franken ausgesprochen werden. Das Verhüllungsverbot wurde im dänischen Parlament, dem Folketing, mit den konservativen und sozialdemokratischen Stimmen beschlossen – und als Erfolg «gegen Islamisten» gefeiert.
In den letzten fünf Jahren kam es gemäss Angaben der dänischen Polizei pro Jahr zu durchschnittlich 30 Bussen. Ein guter Drittel davon betraf nicht Burka- und Nikab-Trägerinnen, sondern «andere unverhältnismässige Verhüllungen». Laut der dänischen Polizei hat das Verbot «nicht zu schwierigen Situationen» geführt. Laut Untersuchungen der Universität Århus gab es in Dänemark schon vor der Einführung des Verbotes kaum Trägerinnen von Burkas oder Nikab – weniger als 100.
Sri Lanka: Das Verbot und ein unheimlicher Verdacht
Korrespondentin Maren Peters: Sri Lanka hat den Burka-Bann im April 2021 beschlossen – als Folge der Oster-Anschläge zwei Jahre zuvor. Damals kamen bei sechs Selbstmordanschlägen auf Kirchen und Hotels mindestens 260 Menschen ums Leben. Der Geheimdienst beschuldigte die Terrororganisation Islamischer Staat. Daraufhin erliess die Regierung ein erstes Burka-Verbot, zunächst begrenzt auf vier Monate. Die Gesichtsverhüllung stelle eine Bedrohung für die nationale Sicherheit dar.
Vor wenigen Tagen berichtete der britische Fernsehsender Channel 4, dass möglicherweise der sri-lankische Geheimdienst hinter den Oster-Anschlägen stecke. Ziel sei es demnach gewesen, Chaos und Angst zu verbreiten. Dies sollte dem damaligen Präsidenten Gotabaya Rajapaksa helfen, die anstehende Wahl zu gewinnen. Eine parlamentarische Untersuchungskommission soll die Vorwürfe nun prüfen.