Die Menschen nennen ihn den Schwarzen Sommer. Von September 2019 bis April 2020 dauerte, was als folgenschwerste Feuerkatastrophe der jüngeren australischen Geschichte gilt. 234'000 Quadratkilometer Land brannten ab, vor allem im Südosten des Kontinents. Das entspricht etwa der Fläche von Grossbritannien. Die Kombination einer langen Dürreperiode, hoher Sommertemperaturen und starker Winde führte zu einer Apokalypse.
Biologische Vielfalt auf Kangaroo Island
Besonders betroffen war auch die Kangaroo Island in Südaustralien. Sie ist unter Touristinnen und Touristen besonders beliebt, wegen ihrer Bedeutung als eine Art Arche Noah biologischer Vielfalt, mit über 1000 Pflanzenarten. Und wegen der Koalas, die dort leben. 80 Prozent der etwa halben Million Beuteltiere verbrannten in einem Feuer, dass sich über Hälfte der Insel ausbreitete.
Die Wissenschaftlerin Lucy Sutherland war vier Jahre lang Direktorin des Botanischen Gartens in der südaustralischen Hauptstadt Adelaide. Das Feuer auf der Insel sei je nach Ort unterschiedlich intensiv gewesen. An gewissen Orten sei die Hitze so gross gewesen, dass sie tief in die Erde eingedrungen sei.
Bis heute forschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, welche Pflanzen die Feuerstürme überlebt haben, und welche nicht und auch, welche von der Hitze profitiert haben. Denn Feuer gehört seit Millionen Jahren zum natürlichen Umweltzyklus auf dem Kontinent. Einige Banksien, Akazien, Eukalypten und Grasbaumarten haben sich im Laufe der Evolution angepasst. Sie nutzen die Hitze oder den Rauch von Feuern, um ihre Samen freizusetzen oder die Keimung zu stimulieren.
Ein Quandong
Doch auch diese Pflanzen können nur ein bestimmtes Mass an Hitze ertragen. Ein Gras- oder Buschbrand ist normalerweise etwa 800 Grad heiss. Bei den Feuern im Schwarzen Sommer wurden bis zu 1600 Grad gemessen. In einem kalten Raum im Botanischen Garten von Adelaide hält die Botanikerin Jenny Guerin eine murmelgrosse, braune Kugel in der Hand. Das sei einer der grössten Samen, mit denen die Forscherinnen und Forscher hier arbeiteten, der sogenannte einheimische Pfirsich, oder Quandong, in der Sprache der Ureinwohner.
Guerins Team sammelt, prüft und katalogisiert Samen verschiedenster Pflanzenarten auf Kangaroo Island. Dann werden die Keimlinge verpackt und in Kühltruhen gelagert, die von Orchideen etwa. Australien hat etwa 1800 Orchideenarten, 75 Prozent von ihnen findet man nur auf diesem Kontinent. Die meisten sind klein, mit Blüten kaum grösser als der Nagel eines kleinen Fingers. Doch sie sind für das biologische Gleichgewicht sehr wichtig. 50 Prozent der Orchideenarten sind vom Aussterben bedroht.
Pflanzen werden wieder angesiedelt
Es sei inzwischen klar, dass diese Pflanzen ohne menschliche Intervention nicht mehr viele Jahre überleben würden. Die Forscher haben in den letzten Jahren begonnen, aus den gesammelten Samen der einheimischen Pflanzen Setzlinge zu ziehen. Die Sämlinge werden an Orten gepflanzt, die von den Feuern zerstört worden sind.
Derweil warten Millionen von Pflanzensamen in der Dunkelheit einer Tiefkühltruhe auf die Zeit nach der nächsten Feuer-Apokalypse. Und die werde mit Sicherheit kommen, warnen Wissenschaftlerinnen. Denn als Folge der globalen Klimaerhitzung würden künftig nicht nur in Australien extreme Feuersbrünste wie die vom Schwarzen Sommer keine Ausnahme mehr sein, sondern die Regel.