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Gedenkfeier im KZ Buchenwald
Aus Tagesschau vom 11.04.2022.
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Nazi-Opfer aus der Ukraine KZ-Überlebende: «Die Todesangst ist noch grösser geworden»

Die Ukrainerin Anastasia Gulej hat drei KZs überlebt. Jetzt musste sie vor dem Krieg in der Ukraine fliehen.

Flucht, Vertreibung, Gewalt. Anastasia Gulej kennt das. Als junge Frau war die Ukrainerin Zwangsarbeiterin unter der Nazi-Herrschaft. Sie war in Auschwitz, Bergen-Belsen, Buchenwald. Sie überlebte – und kehrte nach dem Horror in ihre Heimat, in die Ukraine zurück.

Zeitzeugin und Überlebende des Nazi-Terrors: Anastasia Gulej.
Legende: Zeitzeugin und Überlebende des Nazi-Terrors: Anastasia Gulej. Keystone

Am Sonntag ist in Buchenwald der 77. Jahrestag der Befreiung des KZs gefeiert worden – in Gedenken an den 11. April 1945. Punkt 15 Uhr 15 kamen damals die Amerikaner. Noch heute ist die Uhr über dem KZ-Lagertor so eingestellt. 15 Uhr 15. Der Moment der Freiheit, als KZ-Häftlinge selber zu den Waffen griffen, um ihre Freiheit kämpften – und das Lager schon fast unter Kontrolle hatten, als die Amerikaner kamen.

Als Hochbetagte muss sie fliehen

Unter den Gästen ist am Sonntag auch Anastasia Gulej. Bis vor ein paar Wochen wohnte die 97-Jährige in Kiew, sie engagierte sich als Zeitzeugin und Überlebende des Nazi-Terrors an Schulen, erzählte ihre Geschichte immer und immer wieder, damit sie nicht vergessen geht.

Anastasia Gulej und ihre Tochter Walentyna Gulej laufen an Blumenkränzen vorbei.
Legende: Anastasia Gulej und ihre Tochter Walentyna Gulej an der Gedenkfeier anlässlich des 77. Jahrestages der Befreiung des Nazi-Konzentrationslagers Buchenwald. Keystone

Vom Krieg erzählte sie in der Vergangenheitsform. Bis Putins Bomben kamen. Sie wieder Bombennächte erlebte. Und schliesslich fliehen musste. Hochbetagt, verängstigt, traumatisiert.

Früher hatte ich noch Hoffnung, die mich am Leben hielt. Jetzt nicht mehr.
Autor: Anastasia Gulej KZ-Überlebende

Die alte Dame hat Tränen in den Augen, als sie erzählt, wie es ihr geht. «Die Todesangst ist noch grösser geworden», sagt sie. «Früher hatte ich noch Hoffnung, die mich am Leben hielt. Jetzt nicht mehr.»

Zwei Frauen mit einer gemeinsamen Mission

Neben ihr sitzt die Ungarin Éva Pusztai-Fahidi. Auch sie überlebte das KZ, auch sie war Zwangsarbeiterin. Auch sie ist 97 Jahre alt. «Der Krieg», sagt sie, «hört einfach nicht auf. Es hört nie auf.»

Die KZ-Überlebende Éva Pusztai-Fahidi inmitten von Menschen, vor ihren Füssen liegen Blumen.
Legende: Die KZ-Überlebende Éva Pusztai-Fahidi (Mitte) bei der Gedenkfeier vom Sonntag. Keystone

Die Erschütterung der beiden Frauen ist gross – doch sie wollen ihre Mission weiterführen: Die Nachwelt über die Gräuel der Nazis aufklären. Anastasia Gulejs Buch kommt bald – Éva Pusztai-Fahidi hat schon mehrere geschrieben.

«Diese Arbeit ist besonders wichtig», sagt Josef Schuster. Er ist Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. «Es wird immer weniger Zeitzeugen geben – und auch in den Familien gibt es immer weniger Menschen, welche den jungen Menschen vom Krieg erzählen.» Das Andenken müsse wach gehalten werden – dabei helfen Frauen wie Gulej und Pusztai-Fahidi.

40'000 Holocaust-Überlebende in der Ukraine

In der Ukraine leben schätzungsweise 40'000 Menschen, die Opfer des Nazi-Terrors wurden. Verschiedene Organisationen versuchen nun, so viele wie möglich aus dem Kriegsgebiet herauszuholen. «Das ist aber oft sehr kompliziert. Die Holocaust-Überlebenden sind alle um die 100 Jahre alt und oft nicht oder nur eingeschränkt transportfähig», sagt Jens-Christian Wagner.

Für die Überlebenden ist der Krieg absolut traumatisch. Und eine grosse Enttäuschung.
Autor: Jens-Christian Wagner Leiter der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora

Er ist Leiter der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora in Weimar. «Wir sind seit Wochen daran, Ambulanzen und Helferinnen und Helfer zu organisieren und so viele Transporte wie nur möglich durchzuführen.» Wagner hält Kontakt zu vielen Überlebenden in der Ukraine. «Für sie ist der Krieg absolut traumatisch. Und eine grosse Enttäuschung.»

Kurz nach der Befreiung des Lagers Buchenwald formulierten die Ex-Gefangenen einen Schwur, den sogenannten «Schwur von Buchenwald». Darin heisst es unter anderem: «Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ideal.»

Unterschrieben haben das Überlebende aus vielen Ländern. «Damals im Lager wurde kein Unterschied gemacht, ob einer aus der Ukraine oder aus Russland kam. Es ging einzig und allein darum, einander beim Überleben zu helfen», sagt Wagner. Jetzt sei es so, dass Nachfahren alter Kameraden aus dem KZ auf die Nachfahren anderer alter Kameraden aus dem KZ schiessen. «Diese Vorstellung ist für viele traumatisch», sagt Wagner.

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SRF 4 News, 11.04.2022, 07:40 Uhr

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