Der österreichische Bundespräsident Van der Bellen hat den Chef der zweitplatzierten ÖVP, den bisherigen Bundeskanzler Karl Nehammer, mit der Regierungsbildung beauftragt. Dieser kündigte Verhandlungen mit der sozialdemokratischen SPÖ an.
Da diese beiden Parteien aber nur eine Mehrheit von einem Sitz im Nationalrat haben, will Nehammer eine Dreierkoalition bilden. Wahrscheinlich sind die liberalen Neos die lachenden Dritten.
Das Nein der Anderen
Dass die Wahlverlierer als erste mit der Regierungsbildung beauftragt werden, gab es noch nie in der Geschichte Österreichs. Aber das Vorgehen ist legal und legitim, wenn auch demokratiepolitisch nicht schön. Doch niemand will mit der rechtspopulistischen Wahlsiegerin FPÖ unter Herbert Kickl eine Regierung bilden.
Denn es gibt gewichtige Gründe für das Nein der Anderen. Der wichtigste: Kickls FPÖ kann man nicht trauen, dass sie die Verfassung respektieren wird. Dazu kommen der russlandfreundliche Kurs und mangelnde Abgrenzung zu Rechtsextremen.
Keine Brandmauer
Dieses Vorgehen erinnert vordergründig an die sogenannte Brandmauer gegen die AfD in Deutschland. Doch der Vergleich stimmt nicht. In Österreich ist die FPÖ in diversen Landesregierungen. In Vorarlberg, wo vor wenigen Tagen gewählt wurde, haben ÖVP und FPÖ mit Regierungsverhandlungen begonnen. Und sogar die alleinregierenden Sozialdemokraten im Burgenland wären bereit, nach der Wahl am 19. Januar mit der FPÖ zu koalieren, falls nötig. Auch auf Bundesebene war die FPÖ bereits mehrmals an der Macht.
Mit der FPÖ könnte man zwar regieren, aber nicht mit Parteichef Kickl, argumentierte ÖVP-Chef Nehammer immer wieder. Das klingt zwar pragmatisch, ist aber nicht ganz stringent, denn wo in diesen Tagen FPÖ draufsteht, ist Kickl drin.
Lacht am Ende Kickl?
Dass sich ÖVP, SPÖ und die Neos auf eine Regierung einigen werden, ist bei weitem nicht sicher. Denn die SPÖ ist politisch nach links gerückt und die Neos sind wirtschaftsliberal – die deutsche Ampelregierung lässt grüssen. Und mit Wahlgeschenken lassen sich die Differenzen nicht übertünchen, denn Österreich befindet sich in einer hartnäckigen Rezession und die Regierung Nehammer musste vor kurzem eingestehen, dass das Budgetdefizit viel höher ausfällt, als bislang veranschlagt.
Herbert Kickl kann sich dagegen als derjenige inszenieren, dem der Sieg geraubt wurde. Und hoffen, dass eine allfällige Dreiparteienregierung wenig stabil sein wird und in wenigen Jahren seine FPÖ einen noch grösseren Wahlsieg einfahren wird.
Selbst Karl Nehammer gestand ein, dass bereits sein Regierungsauftrag scheitern könnte. Oder um sinngemäss ein Bonmot von Churchill zu zitieren: Wo wir jetzt stehen, ist nicht das Ende, nicht einmal der Anfang vom Ende, sondern das Ende vom Anfang einer Regierungsbildung in Österreich.