Anfang 2020 kämpften Tausende Menschen in China mit Husten und Fieber. Die Spitäler wurden überlaufen, das dortige Personal war überfordert, Panik machte sich breit. Kurze Zeit vorher, am 1. Januar 2020, wurde der Wildtiermarkt in Wuhan geschlossen. Noch am selben Tag begann das chinesische Zentrum für Krankheitskontrolle und -prävention auf dem Markt Proben zu nehmen.
Ein Forscherteam der University of Arizona hat diese Proben nun detailliert ausgewertet und kommt in einer neuen Studie zum Schluss: Die weltweite Verbreitung des Coronavirus nahm «aller Wahrscheinlichkeit nach» auf ebendiesem Wildtiermarkt ihren Anfang. Wissenschaftsredaktorin Katrin Zöfel hat sich die Studie etwas genauer angeschaut.
Was ist an dieser Studie so besonders?
Es sind Proben ausgewertet worden, von denen man lange gar nicht wusste, dass es sie gibt: Eben Proben, die zu Beginn der Pandemie auf dem Tiermarkt in Wuhan genommen wurden. Dass es sie gibt, wurde erst Anfang 2023 bekannt, als die genetischen Sequenzen aus den Proben unerwartet auf einer Forschungsplattform für solche genetischen Daten aufgetaucht sind. Eine kleine Forschergruppe aus Frankreich und den USA hat damals die Daten gesehen, direkt ausgewertet und ihre Ergebnisse vorab als Preprint-Studie veröffentlicht. Was jetzt neu vorliegt, ist eine noch etwas detailliertere Auswertung genau dieser Daten, veröffentlicht im renommierten Fachjournal «Cell». Da wird deutlich: China hat längst nicht alle Informationen geteilt, die es zum Ursprung des Virus hat.
Was haben die Forschenden genau herausgefunden?
Sie können zeigen, dass gleich mehrere Tierarten (Marderhunde, Zibetkatzen und Bambusratten), von denen man weiss, dass sie für Coronaviren anfällig sind, auf diesem Markt gehandelt wurden – lebend. Ausserdem zeigt sich, dass gerade dort, wo deren Käfige standen, sich besonders viele Viren in den Proben finden. Und: Die Viren vom Markt sind denen der ersten bekannten infizierten Menschen sehr ähnlich. Genetisch lässt sich zeigen, dass die Viren vom Markt und die aus den ersten infizierten Menschen einen gemeinsamen Ursprung haben.
Ist also das Virus nicht durch einen Unfall in einem Labor in Wuhan entwichen?
Man kann mit dem aktuellen Wissensstand keine der beiden Hypothesen endgültig ausschliessen oder beweisen. Drei Punkte lassen aber einen Laborunfall zumindest möglich erscheinen: Das Institut für Virologie in Wuhan geht nach wie vor nicht so transparent mit seinen Arbeiten an Coronaviren um, wie man sich das wünschen würde. Das kann man als verdächtig werten, in dem Sinn, dass sie wohl etwas zu verbergen haben. Ausserdem waren die Sicherheitsvorkehrungen bei der Arbeit mit Viren in diesem Labor wohl nicht immer ideal. Schliesslich gab es Überlegungen, Coronaviren gezielt zu verändern. Ob das auch gemacht wurde, ist unklar. Zusammengefasst sind die Hinweise eines Laborleaks schwächer als jene eines tierischen Ursprungs.
Welche Fragen bleiben auch nach der Studie ungeklärt?
Was fehlt, sind Proben direkt von infizierten Tieren, die ein klarer Beweis wären, oder auch Untersuchungen auf Zuchtfarmen rund um Wuhan, von denen die Tiere auf dem Markt stammten. Ebenfalls fehlen gründliche Untersuchungen darüber, welche Coronaviren genau in der Gegend um Wuhan in Fledermäusen vorhanden sind. Da sind die Wissenslücken immer noch gross.
Wird man jemals definitiv sagen können, woher das Virus stammte?
Wahrscheinlich nicht. Je länger das her ist, umso unwahrscheinlicher wird es, dass man die noch fehlenden Hinweise findet.