Ein Meinungsartikel in der «New York Times» legt nahe, dass das SARS-CoV-2-Virus doch aus einem chinesischen Labor in Wuhan stamme. Die Autorin legt fünf Argumente vor, die die sogenannte Laborthese stützen sollen. Wie das Ganze einzuordnen ist, erklärt SRF-Wissenschaftsredaktorin Katrin Zöfel.
Auf welche Argumente stützt sich die «NYT»?
Es sind im Kern fünf Argumente: 1. Am Viren-Institut in Wuhan hat es Forschung zu Corona-Viren gegeben. 2. US- und chinesische Forscher haben 2018 gemeinsam überlegt, gezielt Corona-Viren herzustellen, die dem Pandemie-Virus recht ähnlich geworden wären. 3. Die Belege dafür, dass die Pandemie ihren Anfang auf dem Wildtiermarkt in Wuhan genommen habe, seien nicht belastbar. 4. Das Labor in Wuhan habe unter zu laxen Sicherheitsbedingungen gearbeitet. Und schliesslich 5.: Es seien nie zentrale Indizien gefunden worden – Indizien, die es geben müsste, wenn die Pandemie tatsächlich auf dem Wildtiermarkt in Wuhan losgegangen wäre. Dabei ist festzuhalten: Das alles sind keine neuen Argumente.
Wie ist der «NYT»-Artikel einzuordnen?
Der Artikel wirkt sehr überzeugend – aber die Autorin ordnet zentrale Fakten völlig anders ein als andere Experten. So wertet sie jene Belege als schwach, die dafür sprechen, dass die Pandemie auf dem Wildtiermarkt ihren Anfang nahm. Die meisten Experten stufen die Belege aber als durchaus belastbar ein. Auch interpretiert die Autorin Wissenslücken konsequent so, dass sie die Laborthese stützen – das aber ist reine Spekulation. So wurde das bei der US-Behörde DARPA beantragte Geld für die Forschung mit dem erwähnten SARS-CoV-2-ähnlichen Virus nie gesprochen. Für die Autorin ist allein das Nachdenken der Forscher darüber, ein solches Virus herzustellen, ein Beleg dafür, dass das dann tatsächlich gemacht wurde.
Wer ist die Autorin des Artikels?
Geschrieben hat den Artikel die Molekularbiologin Alina Chan. Sie ist wissenschaftliche Beraterin am renommierten Broad-Institut. Sie hat schon früh in der Pandemie überlegt, wofür die Eigenschaften von SARS-CoV-2 sprechen könnten. Chan äusserte sich dazu auch immer wieder öffentlich und hat inzwischen ein Buch geschrieben. Mittlerweile engagiert sie sich zusammen mit anderen Forscherinnen und Forschern dafür, dass die Forschung an Viren dort stark eingeschränkt werden soll, wo ihre Forschergruppe die Forschung für gefährlich hält.
Ist an Chans Argumentation etwas dran?
Niemand kann ausschliessen, dass das Virus tatsächlich aus dem Labor stammt. Und die Tatsache, dass das Labor wichtige Unterlagen nicht herausgibt, ist in der Tat sehr unglücklich. Dass Chan diese mangelnde Transparenz als Beweis für die Laborthese deutet, ist allerdings reine Interpretation. Es gilt festzuhalten: Aus Sicht der überwiegenden Mehrheit der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Virus von einem Tier auf den Menschen übergesprungen ist, viel höher, als dass es aus dem Labor stammt.