Es war die Top-News in den pakistanischen Medien: General Asim Munir wird neuer Armeechef. Eigentlich stand er kurz vor der Pensionierung, nun soll Munir für die nächsten drei Jahre höchster pakistanischer Militär werden. Und damit die Nachfolge des einflussreichen Amtsinhabers, General Javed Bajwa, antreten.
Der monatelange Auswahlprozess war höchst kontrovers. Der Grund: Anhaltende politische Machtkämpfe, in denen die Armee eine wichtige Rolle spielt.
Die Rivalität der Regierungschefs hilft Munir
Es gehe um die Rivalität zwischen dem amtierenden Premierminister Shebaz Sharif und dem im Frühjahr per Misstrauensvotum aus dem Amt gewählten Ex-Premier Imran Khan, sagt die pakistanische Politikwissenschaftlerin und Militär-Expertin Ayesha Siddiqa. Am Ende habe sich die amtierende Regierung Sharif vor allem deshalb für General Munir als Armeechef entschieden, weil dieser ein Kritiker des ehemaligen Premiers Khan sei.
So hatte Munir in einer seiner früheren Rollen als Geheimdienstchef der Ehefrau von Kahn Korruptionsvorwürfe gemacht. Khan, damals noch Premierminister, warf ihn daraufhin aus dem Amt. «Über Munirs Ernennung zum Armeechef dürften die Khans nicht erfreut sein», meint Politikwissenschaftlerin Siddiqa.
Munir verunmöglicht Khan als Premier
Der populäre frühere Cricket-Star Khan, der gerade einen Mordanschlag überlebt hat, macht sich nach wie vor Hoffnungen auf das Amt des Premierministers. Aber er weiss, dass er dafür die Unterstützung des allmächtigen Armeechefs braucht.
Mit einem ihm nicht wohlgesinnten Amtsinhaber Munir dürften Khans Chancen schrumpfen. Und die Repression gegen ihn noch grösser werden.
Die Rolle des Militärs in Pakistan sei vergleichbar mit der im alten Preussen, sagt die Expertin Siddiqa. «In Preussen hielt sich die Armee einen Staat, nicht der Staat eine Armee, wie in normalen Staaten.» Während sich im benachbarten Indien die politischen Kräfte gegen das Militär durchsetzten, behielt in Pakistan das Militär die Oberhand.
In den 75 Jahren seit der Unabhängigkeit von Indien haben die Militärs das muslimische Pakistan fast die Hälfte der Zeit direkt regiert, mit Militärdiktaturen. Das Militär nutzte die politische Stärke aus, um auch zur ökonomischen Macht zu werden. «Die Generäle haben nach wie vor grossen Einfluss auf die Sicherheits- und Aussenpolitik der Atommacht Pakistan», sagt Siddiqa.
Kein Richtungswechsel in Pakistan zu erwarten
Einen grossen Kurswechsel unter dem neuen Amtsinhaber Asim Munir erwartet die Politikwissenschaftlerin nicht. «Wir sollten nicht vergessen: Munir ist Protégé des alten Amtsinhabers General Bajwa. Sie haben jahrelang zusammengearbeitet.»
Darum werde das Verhältnis zur Hindu-nationalistischen Regierung von Indien weiter distanziert bleiben und die Beziehungen zu Afghanistan und den Taliban weiter partnerschaftlich. Der Ankündigung, das Militär werde sich künftig aus der Politik heraushalten, glaubt Siddiqa nicht.
Der Armeechef dürfte also auch künftig der mächtigste Mann im Staat bleiben. Auch wenn es Premierminister Sharif war, der den neuen Armeechef ernannt hat: Der Regierungschef ist abhängig vom Armeechef. Sharif sollte also nett zu ihm sein. Sonst könnte sich wiederholen, was Ex-Premierminister Kahn widerfahren ist: Wer das Militär zu laut kritisiert, muss gehen.