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Neuer Beobachtungssatellit Die Wolken werden jetzt aus dem All durchleuchtet

Wolken haben grossen Einfluss auf Wetter und Klima. Jetzt soll der Satellit «Earthcare» dringend nötige, neue Erkenntnisse bringen.

Darum geht es: Seit Ende Mai fliegt ein neuer Erdbeobachtungssatellit der Europäischen Raumfahrtbehörde ESA im Orbit um die Erde. «Earthcare» soll Daten zur Erdatmosphäre sammeln. Ziel ist ein besseres Verständnis der Abläufe über unseren Köpfen – sei es kurzfristig für Wettervorhersagen oder im Hinblick auf den fortschreitenden Klimawandel. Dazu gehören vielfältige, bislang nicht verfügbare Daten zu Wolken. «Erstmals erhalten wir Aufschluss darüber, wie schnell die Auf- und Abwinde in Gewitterwolken sind», sagt die Atmosphärenphysikerin Ulrike Lohmann von der ETH Zürich.

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Wichtiger Forschungsbereich: Gewitter führen immer wieder – und mit der Klimaerwärmung immer öfter – zu Extremwetterereignissen wie Hagelschlag, Orkanwinden oder Starkregen. Wie das Extremereignis vom Juli 2023 in La Chaux-de-Fonds im letzten Jahr gezeigt hat, können solche Gewitter verheerende Schäden und auch Todesopfer verursachen. «Wenn wir nun Satellitendaten über die Auf- und Abwinde in solchen Super-Gewitterzellen erhalten, ist das eine neue Dimension für die Forschung», beschreibt Lohmann ihre Erwartungen an den neuen Satelliten.

Gewitterwolken vermessen

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Gewitterwolke über gelbem Rapsfeld, davor eine Strasse.
Legende: Imago/Mark Duffy

Damit «Earthcare» Daten zu einer Super-Gewitterzelle wie jener von La Chaux-de-Fonds liefern kann, muss sich der Satellit zum richtigen Zeitpunkt genau darüber befinden – das ist natürlich Zufall. Doch falls das tatsächlich der Fall wäre, dann kann der Satellit die Gewitterzelle vertikal vermessen und detaillierte Daten über Windgeschwindigkeiten in der Wolke (Auf – und Abwinde), Windscherung und zur Struktur der Wolke liefern. Dazu gehören etwa Informationen über Aerosol-Verwirbelungen und damit möglicherweise zu erwartenden Starkniederschlägen und/oder Hagel.

Mysterium Wolken: Wolken bestimmen unser Wetter – und auch das Klima. So reflektieren tiefliegende Regenwolken – von unten sehen sie dunkel aus, von oben aber schneeweiss – viel Sonnenlicht und damit Energie zurück ins Weltall. Doch im Gegensatz zu ihnen halten hohe Cirrus-Wolken Wärme zurück, die von der Erde abgestrahlt wird – und haben damit einen Treibhauseffekt. «Wenn es um den Klimawandel geht, ist wichtig herauszufinden, ob und wie sich die Wolkenhäufigkeit verändert: Gibt es mehr von den tiefliegenden Wolken, die das Sonnenlicht zurückstrahlen, oder mehr von den hohen Cirrus-Wolken, die den Treibhauseffekt verstärken?», so Lohmann.

Wir erhoffen uns von ‹Earthcare› Daten über viele Superzellen oder tropische Wirbelstürme.
Autor: Ulrike Lohmann Atmosphärenpysikerin an der ETH Zürich

Einfluss auf den Klimawandel: Beim Klimawandel wird meist über die Antriebsfaktoren gesprochen: Treibhausgase oder Feinstaubkonzentrationen. Die Wolken dagegen sind ein Rückkopplungsfaktor im Klimasystem – und damit abhängig von den Antriebsfaktoren. So beeinflusst etwa die Feinstaubkonzentration die Wolkenbildung: Wenn die Luft sauberer wird, können sich weniger Wolken bilden, weil sich weniger Aerosolpartikel in der Luft befinden, die es für die Wolkenbildung braucht. Und je weniger von den tiefliegenden Wolken, umso weniger Rückstrahlung von Energie ins All und damit mehr Erwärmung auf der Erde.

Schwierige Forschung: Die Wissenschaft untersuche die Zusammenhänge zwischen Aerosolen, Wolkenbildung und Folgen fürs Klima schon lange, sagt Lohmann. Doch das sei sehr schwierig – vor allem weil sowohl Aerosole als auch Wolken sehr kurzlebig seien. Nur mit Satelliten sei es möglich, diese Zusammenhänge längerfristig und damit in langen Messreihen zu untersuchen. «Wir erhoffen uns von ‹Earthcare› deshalb viele Daten über viele Superzellen oder tropische Wirbelstürme», so Lohmann. Dabei spielten die Aufwinde eine wichtige Rolle, weil sie die Intensität der Zelle charakterisieren.

Der Faktor Aerosole

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Sonne im Smog, davor auf einer Strasse ein Mopedfahrer.
Legende: Reuters/Akhtar Soomro

Als Aerosole wird Feinstaub in verschiedenen Atmosphären-Schichten bezeichnet. Dazu gehört etwa der Sahara-Staub, der in der afrikanischen Wüste aufgewirbelt und tausende Kilometer in Richtung Westen über den Atlantik oder zuweilen in Richtung Norden verfrachtet wird. Es können aber auch menschlich verursachte Smog-Partikel sein. Zu letzteren gehören etwa Sulfatpartikel, die in der Atmosphäre aus Schwefeldioxid entstehen, das wiederum bei der Verbrennung von beispielsweise Erdöl gebildet wird.

Aerosole sind eine zweischneidige Angelegenheit, wie die ETH-Atmosphärenphysikerin Ulrike Lohmann erläutert: So ist es für die menschliche Gesundheit selbstredend umso besser, je sauberer die Luft ist, wir also möglichst wenige dieser Feinstaubpartikel einatmen. Doch andererseits verlangsamen Aerosole auch die Klimaerwärmung – weil sie dafür sorgen, dass mehr Sonnenlicht (Energie) ins All zurückstrahlt.

Inzwischen wird in unter Klimawissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern heiss diskutiert, wie stark das seit Anfang 2020 geltende, weltweite Verbot von Schweröl als Treibstoff für Frachtschiffe möglicherweise zu der seit gut einem Jahr beobachteten massiven Erwärmung vor allem des Nordatlantiks beigetragen haben könnte. Denn mit dem Verbot geht ein starker Rückgang des Schwefeldioxid-Ausstosses über den Weltmeeren, und insbesondere über dem dicht befahrenen Nordatlantik, einher.

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Korrektur

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In einer früheren Version dieses Artikels nannten wir den Satelliten fälschlicherweise «Care». Der Satellit heisst «Earthcare». Wir bedauern die Ungenauigkeit und entschuldigen uns dafür.

SRF 4, 12.6.2024, 9:55 Uhr ; 

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