Darum geht es: Seit Ende Mai fliegt ein neuer Erdbeobachtungssatellit der Europäischen Raumfahrtbehörde ESA im Orbit um die Erde. «Earthcare» soll Daten zur Erdatmosphäre sammeln. Ziel ist ein besseres Verständnis der Abläufe über unseren Köpfen – sei es kurzfristig für Wettervorhersagen oder im Hinblick auf den fortschreitenden Klimawandel. Dazu gehören vielfältige, bislang nicht verfügbare Daten zu Wolken. «Erstmals erhalten wir Aufschluss darüber, wie schnell die Auf- und Abwinde in Gewitterwolken sind», sagt die Atmosphärenphysikerin Ulrike Lohmann von der ETH Zürich.
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Wichtiger Forschungsbereich: Gewitter führen immer wieder – und mit der Klimaerwärmung immer öfter – zu Extremwetterereignissen wie Hagelschlag, Orkanwinden oder Starkregen. Wie das Extremereignis vom Juli 2023 in La Chaux-de-Fonds im letzten Jahr gezeigt hat, können solche Gewitter verheerende Schäden und auch Todesopfer verursachen. «Wenn wir nun Satellitendaten über die Auf- und Abwinde in solchen Super-Gewitterzellen erhalten, ist das eine neue Dimension für die Forschung», beschreibt Lohmann ihre Erwartungen an den neuen Satelliten.
Mysterium Wolken: Wolken bestimmen unser Wetter – und auch das Klima. So reflektieren tiefliegende Regenwolken – von unten sehen sie dunkel aus, von oben aber schneeweiss – viel Sonnenlicht und damit Energie zurück ins Weltall. Doch im Gegensatz zu ihnen halten hohe Cirrus-Wolken Wärme zurück, die von der Erde abgestrahlt wird – und haben damit einen Treibhauseffekt. «Wenn es um den Klimawandel geht, ist wichtig herauszufinden, ob und wie sich die Wolkenhäufigkeit verändert: Gibt es mehr von den tiefliegenden Wolken, die das Sonnenlicht zurückstrahlen, oder mehr von den hohen Cirrus-Wolken, die den Treibhauseffekt verstärken?», so Lohmann.
Wir erhoffen uns von ‹Earthcare› Daten über viele Superzellen oder tropische Wirbelstürme.
Einfluss auf den Klimawandel: Beim Klimawandel wird meist über die Antriebsfaktoren gesprochen: Treibhausgase oder Feinstaubkonzentrationen. Die Wolken dagegen sind ein Rückkopplungsfaktor im Klimasystem – und damit abhängig von den Antriebsfaktoren. So beeinflusst etwa die Feinstaubkonzentration die Wolkenbildung: Wenn die Luft sauberer wird, können sich weniger Wolken bilden, weil sich weniger Aerosolpartikel in der Luft befinden, die es für die Wolkenbildung braucht. Und je weniger von den tiefliegenden Wolken, umso weniger Rückstrahlung von Energie ins All und damit mehr Erwärmung auf der Erde.
Schwierige Forschung: Die Wissenschaft untersuche die Zusammenhänge zwischen Aerosolen, Wolkenbildung und Folgen fürs Klima schon lange, sagt Lohmann. Doch das sei sehr schwierig – vor allem weil sowohl Aerosole als auch Wolken sehr kurzlebig seien. Nur mit Satelliten sei es möglich, diese Zusammenhänge längerfristig und damit in langen Messreihen zu untersuchen. «Wir erhoffen uns von ‹Earthcare› deshalb viele Daten über viele Superzellen oder tropische Wirbelstürme», so Lohmann. Dabei spielten die Aufwinde eine wichtige Rolle, weil sie die Intensität der Zelle charakterisieren.