So wird die Nachfolge gewählt: Bis am Montagnachmittag können sich Interessierte am Amt des Premiers melden. Um eine Kandidatur durchbringen zu können, brauchen sie den Rückhalt von mindestens 100 Abgeordneten der konservativen Tory-Partei. Aktuell zählt die konservative Fraktion 357 Personen – es werden also höchstens zwei bis drei Personen diese Hürde überspringen können.
Am Montagabend sollen die Bewerber und Bewerberinnen in einer internen Wahlkampfveranstaltung gegeneinander antreten. Zwischen den zwei Finalisten wird die Parteibasis im Laufe der nächsten Woche per Online-Abstimmung entscheiden.
Bis am 28. Oktober soll der Prozess bereits abgeschlossen sein und der nächste Premierminister oder die nächste Premierministerin feststehen. Sollte es nur eine Person schaffen, am Montag 100 Abgeordnete hinter sich zu bringen, wäre diese Person bereits gewählt als Premierminister oder -ministerin.
So steht es um die Option von Neuwahlen: Die Opposition verlange seit Wochen Neuwahlen, für die Regierungspartei sei es hingegen keine Option, erklärt SRF-Korrespondent Michael Gerber aus London. «Die Tories wissen: Wenn sie jetzt Neuwahlen anordnen würden, dann könnten sie nur verlieren.» Denn Umfragen zufolge würden sie über die Hälfte ihrer aktuellen 357 Sitze verlieren – und die Labour-Partei würde kräftig zulegen und eine Mehrheit der 650 Sitze erlangen, so Gerber.
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Archiv: Einschätzungen von Michael Gerber aus London
Aus 10 vor 10 vom 20.10.2022.
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«Die Regeln wollen es, dass die Opposition keine Handhabe hat, Neuwahlen zu erzwingen.» Solange die Regierungspartei beschlussfähig sei, könne sie alleine über vorgezogene Neuwahlen bestimmen – aus taktischen Gründen. «Oder wenn sie keine Mehrheiten mehr erreicht, muss sie Neuwahlen anordnen, um neue klare Verhältnisse zu schaffen», so Gerber. An diesem Punkt sei man jedoch noch nicht. «So zerstritten die Konservativen auch sind, in einem Punkt sind sie sich einig: Neuwahlen sind im Moment überhaupt keine Option für sie», ordnet Gerber ein.
Diese Kandidierenden sind im Gespräch für die Nachfolge: Als Favoriten auf die Truss-Nachfolge gelten derzeit Rishi Sunak, der frühere Finanzminister sowie die am Mittwoch zurückgetretene Innenministerin Suella Braverman. Penny Mordaunt, die Ministerin für Parlamentsfragen, hat ihre Kandidatur bekannt gegeben. Berichten zufolge soll auch der Ex-Premierminister Boris Johnson Interesse an einer erneuten Kandidatur haben.
Gemäss einer Popularitätsumfrage unter Parteimitgliedern bei den Konservativen im September steht Verteidigungsminister Ben Wallace mit rund 86 Prozent klar an der Spitze – als Premierminister kandidieren wird er jedoch nicht. Handelsministerin Kemi Badenoch hingegen könnte ins Rennen einsteigen, schätzt Michael Gerber ein.
Wer hat die besten Chancen auf die Nachfolge?
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SRF-Korrespondent Michael Gerber sieht folgende Personen als mögliche Nachfolge von Liz Truss:
«Rishi Sunak hat sehr gute Chancen, Liz Truss an der Spitze der Partei und der Regierung abzulösen. Der frühere Finanzminister ist in der konservativen Parlamentsfraktion gut verankert. Bei der Johnson-Nachfolge machte er im Juli im entscheidenden Wahlgang 137 aller 357 Stimmen – 24 Stimmen mehr als Liz Truss. Doch bei der Basisbefragung wendete sich das Blatt. Sunak dürfte am 24. Oktober den Einzug in die Endausmarchung schaffen.
Penny Mordaunts Chancen sind intakt, die nächste Parteichefin und Premierministerin zu werden. Die frühere Verteidigungsministerin und gegenwärtige Fraktionssprecherin im Unterhaus hat in den turbulenten Debatten der vergangenen Tage gezeigt, dass sie eine schlagfertige Rednerin ist, die harte Gegenangriffe locker wegstecken kann. Sie lag bei der Johnson-Nachfolge im Sommer lange auf Platz 2, wurde im entscheidenden Wahlgang für das Zweierticket jedoch von Liz Truss überholt.
Der Name von Boris Johnson wird von seinen Anhängerinnen und Anhängern seit Tagen schon ins Spiel gebracht. Mit seinem rhetorischen Talent und seiner charismatischen Art sei er DER geborene Wahlkämpfer, sagen Abgeordnete, die fürchten, bei den nächsten Wahlen abgewählt zu werden. Boris Johnson hat allerdings ein grosses Handicap: Gegen ihn läuft im Unterhaus eine Untersuchung. Ihm wird vorgeworfen, das Parlament willentlich hinters Licht geführt zu haben – über die Corona-Partys am Regierungssitz während des Lockdowns. Ein Comeback von Johnson dürfte in der konservativen Partei für neue Unruhe sorgen: Mehrere Johnson-Gegner im Unterhaus drohen bereits mit ihrem Parteiaustritt, sollte er erneut zum Parteichef und Premierminister gewählt werden.
Die Kurzzeit-Innenministerin Suella Braverman prüft eine Kandidatur. Sie ist am rechten Rand der Partei beliebt für ihre strenge Linie in Migrationsfragen.
Auch Handelsministerin Kemi Badenoch könnte ins Rennen einsteigen. Sie ist die Entdeckung des Johnson-Nachfolge-Rennens: Sie verfügt über ein grosses rhetorisches Talent. Ob sie allerdings auf Anhieb die für eine Kandidatur nötigen 100 Abgeordneten hinter sich scharen könnte, ist fraglich.
Ben Wallace ist der Topfavorit, der eine Kandidatur als Premierminister jedoch ausgeschlossen hat. Als Verteidigungsminister macht er einen soliden Job, gilt als unaufgeregter Schaffer und liegt in Popularitätsumfragen aller Regierungsmitglieder seit Wochen auf Platz 1. Schon bei der Johnson-Nachfolge wurde sein Name im Juli hochgehandelt.»
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