Was sich abgezeichnet hatte, ist nun Tatsache: Liz Truss ist als britische Premierministerin zurückgetreten. In der jetzigen Situation könne sie das Amt nicht weiterführen, sagte die 47-jährige Ökonomin.
Dass Truss während ihrer kurzen Amtszeit nicht nur von der Oppositionspartei Labour, sondern auch von den eigenen Tories viel Gegenwind erhielt, zeigt, wie wenig ihre Politik seit ihrer Wahl am 5. September goutiert wurde.
Der Amtsantritt: Eine neue eiserne Lady?
Liz Truss machte keinen Hehl daraus: Ihr Vorbild ist Margaret Thatcher. Die «eiserne Lady», wie sie noch heute genannt wird, war die erste britische Premierministerin. Und wer Truss zuhört, könnte meinen, dass sie sogar so sprechen will wie die vor fast zehn Jahren verstorbene Thatcher.
Rhetorik ist die eine Sache. Politik eine andere. Truss machte früh klar, auf eine deregulierende Wirtschaftspolitik zu setzen, über welche die «eiserne Lady» wohl frohlockt hätte. Doch schon bald sollte sich London, Grossbritannien, ja die ganze Welt, für etwas anderes als Steuersenkungen für Reiche interessieren.
Eine Monarchin stirbt – und die Politik wird zweitrangig
Am 8. September stirbt Queen Elizabeth II. Das Land verhängt eine mehrtägige Staatstrauer, Politik wird auf einen Schlag nebensächlich. Für Truss war die verstorbene Monarchin «ein Fels, auf welchem das moderne Grossbritannien gebaut» sei.
Nach Kondolenzgrüssen, Flaggen auf halbmast und Besuchen Staatsoberhäupter aus aller Welt wird Charles III. zum neuen König gekürt.
Seine frostige Beziehung zu Truss als Vorbote für ihren Niedergang zu sehen, wäre vermessen. Dennoch spiegelt es eine gewisse Ironie, dass zwischen Truss' neoliberalem Kurs und der umweltschonenden Denkweise des neuen Monarchen eine tiefe Kluft liegt. Überschwängliche Willkommensgefühle kamen bei der ersten königlichen Audienz zumindest nicht auf.
Zu jenem Moment war die Staatstrauer schon vorbei – und die Ideen von Liz Truss wie etwa ihr umstrittenes Steuersenkungspaket mussten im Politalltag bestehen.
Alter Wein in neuen Schläuchen
Sie taten es nicht. Selbst der US-amerikanische Präsident Joe Biden zerpflückte ihren Kurs, ob gewollt, sei dahingestellt.
Zur Einordnung: «Trickle-Down» – auf Deutsch «herunterrieseln» – meint grundsätzlich, dass eine tiefe Besteuerung der Reichen auch automatisch dem Mittelstand und ärmeren Leuten zugutekommt. Ein Ansatz, den selbst liberale Denker infrage stellen.
Doch genau das sah Truss vor: Erlaubnis für Fracking, Abschaffung der Obergrenze bei Bonuszahlungen für Banker oder die Rücknahme der im Frühling beschlossenen Erhöhung der Unternehmenssteuer. Das Massnahmenpaket war bemerkenswert.
Verrückt spielende Finanzmärkte
Und das Echo gewaltig: Die Finanzmärkte spielten verrückt, die Bank of England kam ins Rotieren. Dass dies dem Inhalt der Massnahmen geschuldet war, lag Truss fern. Die Kommunikation sei das Problem.
Doch dann die erste Kehrtwende. Truss nahm das Steuerpaket zurück – und entliess ihren Finanzminister Kwasi Kwarteng.
Und nachdem Truss bei der Befragung des Unterhauses diese Woche arg unter Druck geraten war, nahm auch die Innenministerin Suella Braverman ihren Hut.
Zu jenem Zeitpunkt sagte Truss noch, sie sei «eine Kämpferin und keine Drückebergerin». Das mag sein. Klar ist, dass Liz Truss mit ihrem Rücktritt die wohl letzte Kehrtwende als Premierministerin vollzogen hat.