Der Mann ist erst seit Freitag im Amt. Doch bereits am Montag hat der neue Schatzkanzler Jeremy Hunt das monumentale Steuersenkungspaket seiner Chefin Liz Truss öffentlich ausgeweidet. Dies sei unvermeidlich, sagte Hunt. Nur so könne er die wirtschaftliche Stabilität im Land wieder herstellen: «Dazu werden wir fast alle Steuersenkungen, die vor drei Wochen angekündigt wurden, wieder streichen.»
Steuern auf Dividenden oder die Mehrwertsteuer für Touristen oder die Alkoholsteuer werden also nicht gestrichen. «Die Energiepreise werden nicht für zwei Jahre gestützt, sondern erst einmal für sechs Monate. Niedere Steuern sind ein konservatives Anliegen. Doch diese in der heutigen wirtschaftlichen Situation mit Schulden zu finanzieren, ist nicht vertretbar.»
Der neue Schatzkanzler hat mit diesem Auftritt zwei Dinge getan: Er hat erstens die Finanzmärkte beruhigt. Und zweitens hat er die politische Agenda von Liz Truss mehr oder weniger atomisiert. Nicht nur ihre Politik ist damit arg ramponiert, sondern ebenso ihre Autorität.
Wo gerade noch Unterstützung herrschte …
Noch am Wochenende versuchte der konservative Kabinettskollege Robert Buckland in einer Podiumsdiskussion in London für seine politische Vorgesetzte eine Lanze zu brechen: «Ich möchte nichts beschönigen, die Situation ist nicht ganz einfach. Die konservative Partei und das Land sind gerade mit einigen Herausforderungen konfrontiert. Aber ich möchte davor warnen, nun eine weitere Premierministerin den Wölfen zum Frass vorzuwerfen.»
Denn eine weitere Neuwahl würde laut Buckland für noch mehr Instabilität sorgen. «Und uns daran hindern, die wahren Herausforderungen anzugehen. Truss hat gezeigt, dass sie lernfähig ist. Sie ist unsere Premierministerin. Wir sollten sie bei ihrer schwierigen Aufgabe unterstützen.»
… wird heute bereits am Stuhl gesägt
Nun hat der Wind deutlich gedreht. Keine Ministerin und kein Minister wollte sich am Montag in den Medien öffentlich für Liz Truss starkmachen. Ihr politischer Beistand und Vormund Jeremy Hunt signalisierte zwar, die Chefin habe das Steuer selbstverständlich fest im Griff. Aber hinter den Kulissen wird bereits heftig an ihrem Stuhl gesägt.
Es ist ein Déjà-vu: Im Unterhaus wird wieder orakelt, wie viele Misstrauensanträge bereits eingetroffen sind. Und die Meinung auf der Strasse ist unmissverständlich. Selbst Leute, die bis jetzt konservativ wählten, haben genug. «Bei allem Respekt: Es ist Zeit zu gehen», meint ein Mann.
Selbst für britische Verhältnisse stellt die Premierministerin einen neuen Rekord auf. Innerhalb von 41 Tagen sanken ihre Umfragewerte auf einen absoluten Tiefpunkt. Eine Leistung, für die Theresa May und Boris Johnson doch einige Jahre brauchten.
Die Premierministerin wird heute politisch als klinisch tot eingestuft. Die Frage, welche Westminister heute deshalb umtreibt, lautet: Eine Woche? Zwei Wochen? Oder schafft sie es noch bis Weihnachten? Die britischen Medien überbieten sich in diesen Stunden mit Spekulationen, wie lange sich die britische Premierministerin noch im Amt halten kann.