- Nach der demütigenden Kehrtwende in ihrer Steuerpolitik kämpft die britische Premierministerin Liz Truss um ihren Posten.
- Die Regierungschefin ist in der wöchentlichen Fragestunde im Unterhaus schwer unter Druck geraten und wurde zum Rücktritt aufgerufen.
- Die Krise hat neue personelle Konsequenzen. Truss hat den Posten von Innenministerin Suella Braverman neu an den früheren Verkehrsminister Grant Shapps vergeben.
Braverman selbst veröffentlichte ihre Rücktrittserklärung am Mittwochabend auf ihrem Twitteraccount. Ob die Innenministerin freiwillig ihr Amt abgab oder gefeuert wurde, ist noch unklar. Suella Braverman gehörte zum extremen rechten Flügel der Partei und machte immer wieder mit Äusserungen zu ihren Plänen für ein härteres Vorgen bei Abschiebungen von sich reden.
Es ist bereits der zweite Wechsel in einem wichtigen Ressort innerhalb von sechs Tagen. Erst am Freitag hatte Truss ihren Finanzminister Kwasi Kwarteng entlassen und mit dem früheren Aussenminister Jeremy Hunt ersetzt. Die konservative Regierungschefin kämpft um ihr Amt, nachdem sie mit geplanten Steuererleichterungen ein Finanzchaos ausgelöst hatte und eine Kehrtwende hinlegen musste.
Kurz nach der Bravermans Verkündung trat Berichten zufolge auch ein Teil der Fraktionsführung zurück, nachdem die Regierung eine Abstimmung im Parlament zunächst zur Vertrauensfrage erklärt hatte, in letzter Minute aber zurückruderte.
Neuer Innenminister heisst Shapps
Noch am Mittwochabend hat die Premierin Truss den früheren Verkehrsminister Grant Shapps zum neuen Innenminister ernannt. Er hatte im innerparteilichen Wahlkampf um die Nachfolge von Ex-Premier Boris Johnson Truss' Rivalen Rishi Sunak unterstützt. Zuvor war er in Johnsons Kabinett Verkehrsminister. Er gilt als erfahrener Minister und überzeugender Kommunikator.
Ich bin eine Kämpferin und keine Drückebergerin.
Am Mittwochnachmittag hat sich die britische Premierministerin erstmals seit ihrer Kehrtwende in der Steuerpolitik im Parlament den Fragen der Abgeordneten gestellt. Für die Vorsitzende der Konservativen stand im Unterhaus viel auf dem Spiel. Denn ihre Umfragewerte und die der Konservativen Partei sind nur sechs Wochen nach ihrem Amtsantritt dramatisch abgestürzt.
«Ich bin eine Kämpferin und keine Drückebergerin», sagte Truss bei der Fragestunde in London. Gleichzeitig forderten sie mehrere Oppositionspolitiker direkt zum Rücktritt auf.
Einer davon stand Truss direkt gegenüber: der Oppositionschef Keir Starmer von Labour. Seine Partei führt derzeit in allen Umfragen. Doch am meisten zu fürchten hatte Truss nicht ihr Gegenüber, sondern die Mitglieder ihrer eigenen Fraktion.
Hälfte der Konservativen will Rücktritt
Die Konservativen sind dafür bekannt, ihren Parteichefs bei Parlamentsdebatten lautstark beizupflichten. Bleibt das aus, wird das als Zeichen gewertet, dass sie an Rückhalt verloren haben. Zuletzt wünschten sich einer Umfrage zufolge die Hälfte der Mitglieder der Konservativen Truss' Rücktritt.
In den ersten zwölf Monaten im Amt ist die Premierministerin allerdings vor einem Misstrauensantrag geschützt, so wollen es die parteiinternen Regeln. Zudem gibt es derzeit keine solide und breit abgestützte Gegenkandidatur.
Die grosse Kritik aus den eigenen Reihen blieb der schwer in die Defensive geratenen Liz Truss daher bei der Fragestunde erspart. Spekulationen, sie könne sich die Loyalität der Brexit-Hardliner mit einer harten Linie gegenüber Brüssel im Streit um den Status für Nordirland erkauft haben, scheinen sich zu bestätigen.