Das Gerichtsgebäude in Manhattan hat über 80 Jahre auf dem Buckel. Es habe wenig Charme, sei beleuchtet wie eine alte Cafeteria, schrieb die «New York Times». Donald Trump wird im nüchternen Saal 1530 der Prozess gemacht. Dort sind die Regeln für alle Angeklagten gleich, auch für ehemalige Präsidenten.
Tagtäglich muss Trump pünktlich im schlecht geheizten Gerichtssaal sitzen, ausser mittwochs, wenn der Prozess ruht. Der Richter weist ihn zurecht, wenn er sich daneben benimmt – und der Richter entscheidet, ob der Angeklagte dem High-School-Abschluss seines Sohnes beiwohnen darf oder nicht.
Ein Angeklagter wie jeder andere
Das ist keine Wahlkampfveranstaltung, nicht einmal Kameras sind zugelassen. Hier muss Trump stillsitzen, stundenlang. Einmal sei er gar eingenickt. Der Gerichtssaal entzaubert selbst Ex-Präsidenten: «Das ist ja nur ein ganz normaler Typ», sagte eine junge Frau, die ihn im Gerichtssaal sah. Sie war eine von hunderten New Yorkerinnen und New Yorkern, die als Geschworene in Betracht gezogen worden waren.
Es sind zwölf normale Bürgerinnen und Bürger, die in einigen Wochen das Urteil sprechen sollen. Unter ihnen sind eine Lehrerin und ein Investmentbanker. Aber nur im Gerichtssaal ist Trump ein Angeklagter wie jeder andere.
Trump sieht sich als Opfer
Nicht draussen. Dort wartet ein Medientross. Wenn Trump das Gericht betritt oder wenn er es verlässt, wird jedes seiner Worte live übertragen. Die Medienaufmerksamkeit ist riesig. Er sei das Opfer einer unfairen Anklage, der Prozess halte ihn vom Wahlkampf ab, sagt Trump in die Kameras.
Seine Anhänger bittet er um Spenden im Kampf gegen die vermeintliche politische Hexenjagd, als deren Opfer er sich schon lange gibt. Es dürfte ihm politisch helfen, dass die Anklage wie eine Lappalie wirkt – zumindest im Vergleich zu den drei weiteren Anklagen gegen ihn.
Verzögerung im wichtigsten Prozess
Dass Trump und seine Anwälte angestrengt versuchen, diese anderen Verfahren gegen ihn zu verzögern, trägt Früchte: Es ist sehr fraglich, ob die wohl schwerwiegendste Anklage noch vor dem Wahltag zum Prozess führt, geschweige denn zu einer Verurteilung: die Anklage wegen Trumps Rolle rund um den Sturm aufs Kapitol am 6. Januar 2021.
Sollte Trump wiedergewählt werden, könnte er als Präsident Verfahren auf Bundesebene abwürgen oder versuchen, sich selbst zu begnadigen. Einzig in New York konnte er sich bislang einem Prozess nicht entziehen: Es ist gut möglich, dass Trump in einigen Wochen ein verurteilter Straftäter ist.
Die Amerikanerinnen und Amerikaner werden entscheiden müssen, ob ihn das disqualifiziert, wenn sie am 5. November einen Präsidenten wählen.