Geschworenengerichte spielen im US-Rechtssystem eine wichtige Rolle bei Straf- und Zivilprozessen. Im Bundesstaat New York kommen sie bei einem Strafprozess wie jenem gegen Donald Trump zum Zug.
Es ist gesetzlich vorgeschrieben, dass zwölf Repräsentantinnen und Repräsentanten aus der Bevölkerung ausgewählt werden, um objektiv und fair über eine Straftat zu urteilen. Potenzielle Geschworene dürfen nicht vorbestraft sein, sie müssen mindestens 18 Jahre alte US-Staatsangehörige sein und im Bezirk des Gerichts, also in Manhattan, wohnen.
Das Aufgebot
Aufgeboten werden sie zufällig. Erscheinen ist Bürgerpflicht. Über Hundert sind gestern in einer ersten Runde getestet worden. Nachdem ihnen der zuständige Richter den Fall, die einzelnen Parteien, Anwälte und Zeugen vorgestellt hatte, meldeten sich mehr als 50 von ihnen und gaben an, sie fühlten sich nicht in der Lage, objektiv zu urteilen. Sie schieden aus.
Unvoreingenommenheit ist eminent wichtig, doch wer in den USA hat schon keine Meinung zu Donald Trump? Droht der Prozess zu platzen, weil nicht genügend geeignete Geschworene gefunden werden?
Rechtsprofessorin Valerie Hans hat zahlreiche Bücher zum Geschworenensystem verfasst und gilt auf diesem Gebiet als eine der renommiertesten Expertinnen der USA. Sie zweifelt nicht daran, dass es gelingen wird, zwölf unvoreingenommenen Geschworene und sechs Ersatzleute zu finden: «Was mich überzeugt, sind die verschiedenen Verfahrensschritte, die für hochkarätige Prozesse wie diesen bestimmt wurden.»
Bereits stehen Hunderte weitere potenzielle Geschworene, die in einer ersten Runde getestet werden, in den Startlöchern. Der zuständige Richter sprach gestern von bis zu 500 aufgebotenen Bürgerinnen und Bürgern.
Der Fragebogen
Wer im Rennen bleibt, muss einen Fragebogen mit 42 Fragen beantworten, in denen Informationen über den Hintergrund und die Lebenserfahrungen der Person abgefragt werden. Aber auch Verbindungen zu Gruppen, die Trump gut oder schlecht gesinnt sind. Die Auswahl der Fragen findet Valerie Hans überzeugend: Die meisten Fragen seien sehr zielgerichtet. Es gehe um Ansichten und Einstellungen, die sich auf genau diesen Gerichtsfall bezögen.
Es ist sehr wichtig, Geschworene zu finden, die offen sind für die Beweisführung auf beiden Seiten.
«Da habe ich schon ganz Anderes erlebt. Solche Einstellungen können einen Einfluss darauf haben, wie jemand die Beweise im Fall sieht. Doch es ist sehr wichtig, dass wir Geschworene finden, die offen sind für die Beweisführung auf beiden Seiten», so die Expertin. Anschliessend werden die potenziellen Geschworenen vom Richter und den Anwälten einzeln befragt. Es gibt Anwälte, die einzig und allein auf «Jury-Selection» spezialisiert sind. Die Auswahl von Geschworenen ist eine Kunst für sich.
Richter und Anwälte müssen sich sehr anstrengen, um bei Personen eine mögliche Voreingenommenheit zu erkennen, die sie vielleicht bei der Befragung nicht zugeben wollen.
Im konkreten Fall hat der Richter entschieden, dass die Namen der Geschworen zu deren Schutz nicht öffentlich bekannt gegeben werden. Doch die Anwälte kennen die Namen und können zum Beispiel auf Social Media zusätzliche Informationen suchen. In den USA sind auch Angaben über eine allfällige Parteizugehörigkeit oder Parteispenden öffentlich zugänglich.
Aufgrund der Zusammensetzung der Bevölkerung von Manhattan ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass mehr Demokraten als Republikaner im Auswahlverfahren sind.
Valerie Hans sieht darin aber kein Problem: «In anderen prominenten Fällen ist es auch gelungen, ein faires Geschworenengremium auszuwählen. Aber es ist eine Herausforderung.» Der Richter und die Anwälte müssten sich sehr anstrengen, um einzelne Personen ausfindig zu machen und eine mögliche Voreingenommenheit zu erkennen, die sie vielleicht bei der Befragung nicht zugeben wollen.
Beide Parteien haben auch das Recht, je zehn potenzielle Geschworene und zwei potenzielle Ersatzgeschworene ohne Begründung abzulehnen. Auch dies soll dazu beitragen, ein faires Geschworenengremium zusammenzustellen.
Stärke und Plausibilität der Beweise punkten
In ihrer Forschung hat Valerie Hans herausgefunden, dass Geschworene in einem Prozess hauptsächlich die Stärke und Plausibilität der Beweise berücksichtigen, die im Fall vorgelegt werden. Ihre Neigungen und Einstellungen seien weit weniger ausschlaggebend.
Sie erinnert sich an ein besonders prägendes Beispiel, bei dem eine offensichtliche Trump-Anhängerin in einem Geschworenengericht sass, die einen Trump-Fan verurteilte. «Sie setzte am Ende ihren Trump-Hut auf und sagte: Wissen Sie, ich wollte nicht, dass dieser Typ schuldig ist, wirklich nicht. Aber leider haben mich die Beweise überzeugt. Und so musste ich ihn verurteilen.»
Auswahlverfahren von bis zu zwei Wochen
Geschworene müssen denn auch einen Eid ablegen, in dem sie sich verpflichten, sich in ihrer Urteilsfindung auf die Beweise abzustützen. Professorin Valerie Hans ist darum zuversichtlich, dass beim Strafprozess gegen Donald Trump letztlich ein faires Geschworenengericht bestimmt werden kann. Das könnte dauern. Sie rechnet damit, dass das Auswahlverfahren bis zu zwei Wochen dauern wird.