Der frühere US-Präsident ist am Dienstag zum ersten Mal seit Monaten zu einem Prozess über den Sturm seiner Anhängerinnen und Anhänger auf das Kapitol erschienen. Seine Anwälte argumentierten vor Gericht, Trump geniesse für sein Handeln als Präsident absolute Immunität. SRF-USA-Korrespondentin Barbara Colpi ordnet dies ein – auch in Bezug auf die weiteren Prozesse, die anstehen.
Wie zentral ist bei den Prozessen die Frage der Immunität von Donald Trump?
Sie ist sehr zentral, denn das Verständnis, dass niemand über dem Gesetz steht – auch nicht ein Präsident –, wenn es um Straftaten geht, ist ein Grundpfeiler der Demokratie. Entsprechend skeptisch äusserte sich das Richtergremium. Eine Richterin fragte, ob ein Präsident so gesehen eine Sondereinheit mit dem Auftrag, einen politischen Gegner zu ermorden, anordnen könnte. Und ob dies ebenfalls eine offizielle Amtshandlung wäre und er dafür nicht angeklagt werden könnte, weil er eben absolute Immunität genösse. Sie erhielt nur eine ausweichende Antwort. Und bevor die Frage der absoluten Immunität nicht geklärt ist, können die Strafprozesse nicht beginnen. Es gehört zur Taktik von Donald Trump, möglichst alles herauszuzögern, in seiner Vorstellung sogar bis nächstes Jahr, wenn er – davon ist er überzeugt – wieder Präsident ist.
Wie wahrscheinlich ist es, dass Trump trotz Anklagen und Prozessen zum republikanischen Präsidentschaftskandidaten erkoren wird?
Gemäss jetzigen Umfragewerten ist dies sehr wahrscheinlich. Trump ist zwar in 91 Punkten strafrechtlich angeklagt. Seine republikanischen Mitbewerber liegen aber deutlich zurück. Trump kann auf eine sehr solide Wählerbasis zählen. Er ist omnipräsent, eben nicht nur auf Wahlkampfbühnen, sondern auch in Gerichtssälen. Dabei inszeniert er sich und für ihn ist jede weitere Gerichtsvorladung ein zusätzlicher Beweis, dass er politisch motiviert verfolgt werde.
Welcher Prozess ist für Donald Trump am heikelsten?
Wenn es darum geht, einzuschätzen, bei welcher Anklage Trump am wahrscheinlichsten auch verurteilt wird, dann ist es der Prozess im Zusammenhang mit dem Umgang mit Geheimdokumenten. Und das sage nicht ich, sondern ich stütze mich dabei auf Rechtsexpertinnen und Rechtsexperten, die die Anklageschrift im Detail durchleuchtet haben. Heikler, nicht nur für Trump, sondern überhaupt für die USA, sind vom Thema her allerdings die beiden Anklagen im Zusammenhang mit dem Versuch, das Wahlresultat in Georgia zu kippen und an der Macht zu bleiben. Denn da geht es um die Demokratie. Trump selbst macht keinen Hehl daraus, diktatorische Macht anzustreben. Neulich in einem TV-Interview hat er nicht verneint, als wiedergewählter Präsident ein Diktator sein zu wollen, allerdings nur am ersten Tag seiner Amtszeit, wie er dann noch nachgeschoben hat.