Der neue Bürgermeister von Budapest heisst Gergely Karacsony – auf Deutsch: Gergely Weihnachten. Das passt, denn dieser Montagmorgen nach den Kommunalwahlen ist ein bisschen wie Weihnachten für die Opposition in Ungarn. Zum ersten Mal seit Jahren hat sie etwas ausrichten können gegen die Regierungspartei Fidesz. Sie hat in Budapest nicht nur das Amt des Oberbürgermeisters gewonnen, sondern auch die Hälfte aller Bezirke und die Mehrheit im Stadtparlament. Und sie hat auch in anderen grossen Städten des Landes gewonnen: in Pecs, Miskolc, Szombathely und Eger.
Schmutziger Wahlkampf in Budapest
Der Sieg in der Hauptstadt Budapest ist zweifellos am wichtigsten, dort wollte Ministerpräsident Viktor Orban auf keinen Fall verlieren. Und dieser Sieg war alles andere als gegeben: Freunde der Regierungspartei Fidesz führten einen schmutzigen Wahlkampf, sie übertönten Reden von Gergely Karacsony mit lauter Zirkusmusik, das Büro von Ministerpräsident Orban drohte sogar, man streiche der Hauptstadt Gelder, sollte nicht der Fidesz-Mann gewinnen.
Aus mehreren Gründen hat das nichts genützt. Ein Skandal trübte den Wahlkampf der Fidesz: Der Fidesz-Bürgermeister der Stadt Györ wurde gefilmt beim Sex mit Prostituierten auf einer Jacht. Nicht gerade das, was man von einer Partei erwartet, die sich christlich gibt. Noch wichtiger: Die Opposition hat es zum ersten Mal seit langem geschafft, gemeinsam gegen Fidesz anzutreten, statt sich in internen Grabenkämpfen zu verlieren.
Fidesz ist zu weit gegangen
Nur deshalb konnte es in Budapest ein Kandidat schaffen, der vielen als Karrierist und wankelmütig gilt. Und vor allem: Fidesz ist in letzter Zeit wohl einfach zu weit gegangen, hat zu viel Kontrolle, hat den Gemeinden zu viel Mitsprache weggenommen, zum Beispiel rund ums Schulwesen. Gerade in Budapest wollten das die vielen liberalen, westlichen Demokratien zugeneigten und auch wohlhabenden Wählerinnen und Wähler nicht mehr hinnehmen.
Paradoxerweise ist das gar nicht schlecht für Ministerpräsident Orban und seine Fidesz. Auf dem Land konnte die Partei ihre Übermacht ohnehin behaupten, insgesamt ist sie immer noch die stärkste Partei. Und aus ihrer Niederlage in den Städten kann sie nun eine für sie positive Geschichte spinnen. Schon gestern Abend sagte Orban vor Anhängern: «Jeder kann nun sehen, dass es eine schwierige Kampagne und eine offene politische Schlacht war.»
«Sternstunde der Demokratie»
Mit anderen Worten: Ungarn ist immer noch eine funktionierende Demokratie, niemand soll behaupten, man könne nicht gewinnen gegen Fidesz; niemand soll sagen, der demokratische Wettbewerb spiele nicht.
Gerade im europäischen Ausland, das die Machtfülle von Fidesz zum Teil scharf kritisiert, kann der ungarische Ministerpräsident nun erzählen, die gestrigen Kommunalwahlen seien eine Sternstunde der Demokratie gewesen. Zu Hause dürfte Orban weiterhin den Staat nach seinem Gusto umbauen, im Moment arbeiten seine Leute an einem, wie sie sagen, patriotischeren Lehrplan für Ungarns Schulen. Ob die Opposition national eine Chance gegen Fidesz hat, wird sich denn auch erst bei den Parlamentswahlen 2022 zeigen.