Von «Kim Jong-un schwebt in Lebensgefahr» bis zu «Es geht ihm gut»: Die Inhalte der internationalen Berichterstattung über den nordkoreanischen Machthaber gehen weit auseinander. Für den Nordkorea-Experten Nam Sung-wook von der Korea University in Seoul ist das nicht überraschend. Denn verlässliche Informationen aus dem abgeschotteten Land seien äusserst spärlich, sagt er.
Kim fehlte am wichtigsten Tag des Jahres
Eine naheliegende Quelle sind Nordkoreas offizielle Medien. Trotz der Propaganda können sie wichtige Hinweise geben. Auch im vorliegenden Fall, denn im nordkoreanischen TV-Programm fehlen derzeit die Auftritte Kims.
«Er nahm am 15. April nicht an Feierlichkeiten zum Geburtstag seines Grossvaters teil», stellt Nam fest. Und das, obwohl der 15. April in Nordkorea als das wichtigste Datum im Jahr gesehen werde. Kims Fernbleiben hat denn auch zu den aktuellen Spekulationen geführt – auch wenn es direkt nichts über seinen Gesundheitszustand aussagt.
Übergewicht und Atemnot
Kims körperliche Verfassung konnten Experten etwa 2018 bewerten – beim Treffen zwischen Kim und dem südkoreanischen Präsidenten Moon Jae-In an der innerkoreanischen Grenze.
Zum Beispiel anhand von Kims Gang und seiner Atemfrequenz: «Während der Gipfeltreffen in Panmunjom musste Kim beim Gehen alle paar Minuten kurz innehalten», sagt Nam. Kims starkes Übergewicht ist kein Geheimnis. Wie gut oder schlecht es ihm wirklich geht, kann man anhand dieser Bilder aber nicht abschliessend beantworten.
Satellitenaufnahmen dienen als weitere Informationsquellen. So sorgte eine Aufnahme, die Kims Regierungszug am Küstenort Wonson zeigen soll, für Aufsehen. Tatsächlich seien Satellitenaufnahmen wichtig, denn sie könnten mithelfen, den Aufenthaltsort Kims zu ermitteln, so Nam. «Doch ob er sich im Zug befindet, können wir anhand dieses publizierten Bildes aber noch nicht sagen.»
Unzuverlässige Angaben Geflüchteter
Oft zitierte Quellen in den Medien sind Nordkoreanerinnen und Nordkoreaner, die aus ihrem Land geflohen sind. Doch auch hier mahnt Professor Nam zur Vorsicht. Denn von den 33'000 nordkoreanischen Flüchtlingen in Südkorea stammten weniger als fünf Prozent aus der Hauptstadt Pjöngjang. «Auch wenn sie oft in den Medien zitiert werden – über die Situation in der Hauptstadt wissen sie nichts.»
Nam sagt, nicht einmal Überläufer wie Thae Yong-ho hätten wahrscheinlich exakte Informationen über Kims inneren Machtzirkel. Dies, obwohl Thae zuvor Diplomat in der nordkoreanischen Botschaft in London war.
Kim war auch früher schon verschwunden
Zudem erinnert Nam daran, dass es nicht das erste Mal ist, dass Machthaber Kim über eine längere Zeit von der Bildfläche verschwindet und die Welt über seinen Verbleib rätseln lässt.
So sei Kim 2014 während 40 Tagen verschwunden gewesen. Allerdings sei damals viel weniger intensiv darüber berichtet worden. «Er stand noch nicht so stark im Fokus der internationalen Medien.» Doch schon 2014 gab es wilde Spekulationen über seinen Verbleib. Schliesslich tauchte er wieder auf und ging am Stock.
Auch dieses Mal bleibe uns wohl nicht viel anderes übrig, sagt Nam, als auf Nachrichten aus Nordkorea zu warten.