Schon zwei Millionen Menschen sind vor dem Krieg in der Ukraine in Nachbarländer geflohen. Das schreibt der UNO-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi, auf Twitter. Die Zahl rüttelt auf, überrascht aber nicht. Denn: Bilder aus den umkämpften Städten zeigen ein schier unfassbares Leid der Zivilbevölkerung.
Mariupol
In der von Russland belagerten Hafenstadt Mariupol harren Hunderttausende in Angst aus. «Die Menschen leben in Terror in Mariupol», teilt das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) mit. Waffenruhen wurden wiederholt gebrochen, eine geplante Evakuierung der Grossstadt scheiterte bisher. «Sie erlauben uns nicht einmal, die Verwundeten und Getöteten zu zählen, weil der Beschuss nicht aufhört», klagt der Bürgermeister von Mariupol, Wadym Bojtschenko.
Fenster von Wohnblocks sind zerborsten, die Gebäudewände voller Löcher, die Strassen aufgerissen. Den Menschen fehlen Strom, Wasser und Gas. Und Russland will den Einsatz erst stoppen, wenn die Ukraine den Kampf einstelle. Denn Mariupol ist strategisch wichtig. Es liegt nahe der Kontaktlinie zwischen prorussischen Separatisten und ukrainischer Armee im Verwaltungsbezirk Donezk.
Charkiw
Die zweitgrösste Stadt der Ukraine ist seit Tagen schweren Angriffen der russischen Truppen ausgesetzt. Das Portal «Strana.news» berichtet unter Berufung auf einen Sprecher des Charkiwer Stadtrats, dass Hunderte Objekte in der Millionenstadt getroffen worden seien. Darunter seien Wohnhäuser, der zentrale Platz der Stadt und Verwaltungsgebäude. Nach ukrainischen Angaben sind bis am Montag in Charkiw 133 Zivilisten getötet worden, unter ihnen fünf Kinder.
Sumy/Ochtyrka
Zivile Opfer, einschliesslich Kinder, zählt offenbar auch die nordostukrainische Grossstadt Sumy. «In einigen Ortschaften wurden Wohngebäude bombardiert. Und fast im Zentrum von Sumy wurden mehrere Häuser durch einen Bombentreffer zerstört», teilte der Chef der Gebietsverwaltung, Dmytro Schywyzkyj, mit.
Am Samstag habe die russische Luftwaffe in der Kleinstadt Ochtyrka der Region Sumy ein Lager für Lebensmittel zerbombt. Einen Tag zuvor hätten die Angreifer ein Heizkraftwerk zerstört. Nun funktioniere in der gesamten Stadt die Heizung nicht mehr, teilweise seien die Menschen auch ohne Wasser und Strom. «Was soll ich sagen, Ochtyrka selbst ist teilweise weg», so Schywyzkyj.
Irpin
Während sich ukrainische Streitkräfte gegen eine russische Einnahme wehren, haben laut Berichten die meisten Zivilisten Irpin verlassen. Hunderte haben sich aufgemacht, um von der Stadt ins nahe Kiew zu fliehen.
Dabei glich die rund 25 Kilometer lange Flucht zunächst einem Himmelfahrtskommando. Am Sonntag wurden vier Zivilisten durch schweren Beschuss und Mörserfeuer getötet, als sie sich in Sicherheit bringen wollten. Der einzige Fluchtweg führt über den Fluss Irpin über eine schmale Holzbrücke. Um den russischen Vormarsch zu verlangsamen, hat die ukrainische Armee die Hauptbrücke zerstört – der Weg in die Sicherheit ist jetzt umso schwieriger.
Lwiw
Die westukrainische Stadt Lwiw bittet internationale Organisationen um Unterstützung bei der Unterbringung von Kriegsflüchtlingen. Die Stadt sei zu einem Zufluchtsort für etwa 200'000 Menschen geworden, die vor Bomben und Raketen geflohen seien, sagte Bürgermeister Andrij Sadowyj einer Mitteilung zufolge. «Dies ist eine extrem schwere Belastung für die Stadt, und heute stehen wir am Rande unserer Fähigkeiten», warnte er.