- Die Hongkonger Regierung hat ein Vermummungsverbot für die anhaltenden Proteste erlassen.
- Dabei beruft sie sich auf ein Notstandsgesetz aus der britischen Kolonialzeit.
- Schon beim Bekanntwerden der Pläne am Vortag kam es zu Protesten gegen das Verbot.
Regierungschefin Carrie Lam gab das Vermummungsverbot am Freitag vor der Presse bekannt. Die Entscheidung sei auf einer Kabinettssitzung gefallen.
Das Verbot von Masken oder anderer Vermummung gilt von Samstag an bei öffentlichen Versammlungen. Es wird mit bis zu einem Jahr Gefängnis geahndet. Die Polizei kann zudem künftig jede Person in der Öffentlichkeit bei hinreichendem Verdacht auffordern, zur Identifizierung einen Gesichtsschutz abzulegen.
Lam: «Situation darf nicht schlimmer werden»
«Die öffentliche Ordnung ist in einem gefährlichen Zustand», sagte Lam. Die Gewalt habe zugenommen. Die Täter hätten fast immer ihre Gesichter bedeckt. «Wir können nicht erlauben, dass die Situation immer schlimmer wird.»
Dabei betonte sie: «Das bedeutet nicht, dass Hongkong im Notstand ist.» Auch werde nicht formell der Notstand ausgerufen. Sie hoffe, dass Hongkong mit dem Vermummungsverbot wieder zu Frieden zurückkehre. Dem Parlament werde die Vorschrift auf der nächsten Sitzung am 16. Oktober vorgelegt werden, um sie zu einem Gesetz zu machen.
Proteste gegen das Verbot
Seit Donnerstag, nur wenige Stunden nach Berichten über das bevorstehende Vermummungsverbot, kommt es erneut zu Protesten und zu Zusammenstössen zwischen Demonstranten, Bürgern und der Polizei.
Die Festnahme eines jungen Demonstranten liess die Lage eskalieren. Menschen beschimpften Polizisten für ihre «beschämenden» Taten. Die Beamten versuchten vergebens, die Menge mit Pfefferspray zurückzudrängen.
Umsetzung unklar
Demonstranten in Hongkong tragen Masken und vielfach auch dicht schliessende Brillen, um sich vor Tränengas oder Pfefferspray zu schützen. Ausserdem wollen sie verhindern, dass die Polizei sie identifiziert – beispielsweise mit einer Software für Gesichtserkennung.
Wie das Vermummungsverbot in der Praxis durchgesetzt wird, muss sich zeigen. Betroffen sind auch Journalisten, die über Demonstrationen berichten und sich ähnlich mit Gesichtsmasken gegen Tränengas schützen.
Die seit fünf Monaten anhaltenden Demonstrationen waren am Dienstag zum 70. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik eskaliert. Erstmals wurde ein Demonstrant, ein 18-Jähriger Student, angeschossen. Rund hundert Personen wurden verletzt. 269 Menschen wurden festgenommen – soviel wie nie zuvor an einem Tag. Seit Ausbruch der Proteste sind damit rund 2000 Menschen festgenommen worden.
Die Proteste richten sich gegen die eigene Regierung und den langen Arm der kommunistischen Führung in Peking. Die Demonstranten fordern eine unabhängige Untersuchung von Polizeigewalt, einen Straferlass für die Festgenommenen, eine Rücknahme der Einstufung ihrer Proteste als «Aufruhr» sowie freie Wahlen.