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Regierungsbildung Österreich Koalitionsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP gescheitert

  • In Österreich sind die Verhandlungen über eine Regierungsbildung geplatzt – die rechtsnationale FPÖ und die konservative ÖVP konnten sich nicht einigen.
  • Dies teilte FPÖ-Chef Herbert Kickl nach einem Treffen mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen in Wien mit. Er habe den Regierungsauftrag zurückgegeben.
  • Nun könnte es in Österreich eine Expertenregierung geben, aber auch Neuwahlen wären möglich.

Obwohl die FPÖ der ÖVP in vielen Punkten entgegengekommen sei, «waren die Verhandlungen zu unserem Bedauern letztlich nicht von Erfolg gekrönt», heisst es in einem Schreiben von Kickl an den Bundespräsidenten.

ÖVP-Obmann Stocker kündigt eine Stellungnahme vor den Medien an. Er will um 16 Uhr in der ÖVP-Zentrale vor die Medien treten. Eine halbe Stunde später ist eine Stellungnahme von FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker angekündigt.

FPÖ und ÖVP haben seit einem Monat über die Bildung einer Regierung verhandelt. Die Gespräche waren von Anfang an von grossen Unterschieden in Fragen der Aussen- und Sicherheitspolitik geprägt. So war die FPÖ gegen eine weitere Unterstützung der Ukraine. Zudem ist die FPÖ extrem EU-kritisch, die ÖVP dagegen tief überzeugt von der Europäischen Union. Bis zuletzt hatten beide Parteien auch über die Verteilung der Ministerien gestritten, weil beide Seiten jeweils das Innen- und das Finanzministerium übernehmen wollten. 

Welten auseinander

Insgesamt war in den vierwöchigen Verhandlungen vor allem klar geworden, dass beide Parteien eine sehr unterschiedliche Weltsicht haben. Während die ÖVP auf eine enge internationale Einbindung des Landes setzt, hatte die FPÖ immer wieder die «Festung Österreich» propagiert.

Christian Stocker und Herbert Kickl sitzen nebeneinander.
Legende: Der ÖVP-Vorsitzende Christian Stocker und FPÖ-Chef Herbert Kickl (rechts) im Januar bei einer Medieninformation über die Koalitionsverhandlungen. Keystone / APA, HELMUT FOHRINGER

ÖVP-Chef Christian Stocker hatte die FPÖ aufgefordert, angesichts der neuen Verantwortung nun von weit rechts in die politische Mitte zu rücken. Die Beziehung zwischen FPÖ und ÖVP wurde im Laufe der Verhandlungen immer angespannter.

Neuwahlen oder Expertenregierung

Nach dem Scheitern der Koalitionsgespräche sind verschiedenen Schritte möglich. Die sozialdemokratische SPÖ und die liberalen Neos hatten für einen zweiten Anlauf von Dreier-Koalitions-Gesprächen mit der ÖVP geworben, nachdem Verhandlungen im Januar gescheitert waren.

Wie geht es weiter in Österreich?

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Nach dem Scheitern der Koalitionsverhandlungen in Österreich gibt es grundsätzlich vier Varianten:

  1. Neuwahlen
    Diese könnten frühestens in drei bis vier Monaten stattfinden. In den Umfragen liegt die FPÖ mit rund 35 Prozent noch weiter in Führung als sie in den Wahlen im September letzten Jahres gewonnen hat (29 Prozent).
  2. Expertenregierung
    Eine Regierung aus ungewählten Experten und Expertinnen gab es in Österreich bereits nach dem Rücktritt von Sebastian Kurz. Die Regierung von Kanzlerin Bierlein regierte von Juni 2019 bis zum Januar 2020. Diese Regierung war vergleichsweise beliebt, weil sie ohne Streitereien funktionierte. Eine Expertenregierung hat aber den Nachteil, dass sie keine grossen Reformen anpacken kann. Und das wäre in Österreich dringend nötig. Zur Erinnerung: Österreich steckt seit zwei Jahren in einer Rezession.
  3. Neuverhandlungen
    Der Bundespräsident könnte die anderen «Verliererparteien» (Zitat Herbert Kickl), also ÖVP, SPÖ und allenfalls die Neos, wieder neu über eine Koalition verhandeln lassen. Die Verhandlungen dieser drei Parteien sind allerdings im ersten Anlauf gescheitert und wurden am 4. Januar abgebrochen.
  4. Minderheitsregierung
    Zwei der «Verliererparteien» könnten versuchen, ohne Mehrheit im Parlament zu regieren. Am wahrscheinlichsten wäre die Zusammenarbeit zwischen Volkspartei und Neos. Die Gestaltungsmöglichkeiten einer solchen Regierung wären aber angesichts der polarisierten Situation sehr klein. Sie könnte überdies jederzeit mit einem Misstrauensvotum abgewählt werden. 

Bundespräsident Alexander Van der Bellen wird jetzt entscheiden müssen, welche dieser vier Varianten den Vorzug erhält. Die Zeit drängt, weil Österreich auf Liquiditätsprobleme zusteuert. Das Land hat seit mehr als 100 Tagen eine Regierung, die über keine Mehrheit im Parlament verfügt.

Peter Balzli, SRF-Osteuropa-Korrespondent

Neuwahlen müsste die FPÖ nicht fürchten. Nach ihrem Sieg bei den Parlamentswahlen im Herbst 2024 mit knapp 29 Prozent könnten sie laut Umfragen inzwischen mit sogar 35 Prozent der Stimmen rechnen. ÖVP und SPÖ kämen demzufolge auf jeweils rund 20 Prozent, die Neos auf rund 10 Prozent und die Grünen auf etwa 8 Prozent. Bis zur Bildung einer neuen Regierung bleiben die bisherigen Minister aus ÖVP und Grünen im Amt.

SRF 4 News, 12.02.2025, 15:00 Uhr ; 

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