Pünktlich zum Fahrplanwechsel erhöhten die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) die Preise für ihre Nachtzüge deutlich. In der Schweiz betrifft das die Verbindungen von Zürich nach Wien oder Graz sowie die von den ÖBB betriebenen Nightjets von Zürich über Basel nach Hamburg oder Berlin.
Wer kurzfristig bucht, zahlt nun für Schlafwagen bis zu 200 Prozent mehr als zuvor. Die ÖBB sprechen von «Preisanpassungen» auf stark frequentierten Strecken.
Zuerst habe ich gedacht, das muss ein Fehler sein.
Die neuen Tarife wurden von Bloggern entdeckt, die entsprechend entsetzt reagierten. Einer der Ersten war Timo Grossenbacher. Der Journalist kümmert sich nebenberuflich um Nachtzüge und hat ein Portal gebaut, bei dem Preisangebote von Nachtzügen verglichen werden können.
Am Sonntagmorgen entdeckte er die stark erhöhten Preise: Auf der Strecke nach Amsterdam, bei der bisher ein Einzelabteil ohne Halbtax um die 280 Euro kostete, stand ein Preis von 600 Euro. «Zuerst habe ich gedacht, das muss ein Fehler sein», sagt Grossenbacher.
Im Laufe des Montags habe sich dann aber herausgestellt, dass die ÖBB ein neues Preismodell eingeführt hat. «Mit diesem neuen Modell werden die Preise gespreizt und variieren je nach Nachfrage stark», so Grossenbacher. Die ÖBB kommunizierte dies jedoch sehr zurückhaltend. Auf Medienanfragen und später auf X (vormals Twitter) hat sie dann das neue Preismodell bestätigt.
Auch der ehemalige SBB-Chef Benedikt Weibel bezeichnet die Preiserhöhungen als «fragwürdig». Sie wären höchstens für die brandneuen Nightjets gerechtfertigt. Allerdings erhöhen die ÖBB die Preise auch für veraltete Nachtzüge, die noch dazu oft mit grosser Verspätung ankommen.
Erhöhungen von fast 200 Prozent
Laut Grossenbachers Analyse kommen die Preiserhöhungen bei allen Nightjet-Strecken vor. «Die Preiserhöhungen finden vor allem in den Schlafabteilen, also in den etwas gemütlicheren Schlafwagen, statt.» Dort gebe es zum Teil Erhöhungen von fast 200 Prozent. Auch bei einem Dreierabteil sei die Erhöhung noch bei fast 50 Prozent. Einzig und allein bei den Liegewagen würden die Preise gleich bleiben oder sogar ein bisschen zurückgehen.
Doch wie rechtfertigt die ÖBB die hohen Preisanstiege, die zum Teil fast ins Dreifache gehen? «Die ÖBB haben das etwas verklausuliert formuliert auf X», sagt Grossenbacher. Man wolle damit neue Möglichkeiten schaffen, kurzfristig Züge zu buchen. «Damit meinen sie: Wird ein Abteil nicht gebucht, ist es vielleicht bis zum Schluss noch verfügbar. Also kann man es auch kurzfristig buchen.»
Grossenbacher vermutet aber noch einen anderen Grund: «Man hat das Problem, dass die Schlafabteile extrem beliebt sind. Vor allem auch die Zweier- und die Einzelabteile. Jedoch sind die Liegewagen ein bisschen aus der Mode gekommen.» Indem die Schlafwagen verteuert und die Liegewagen günstiger gemacht würden, werde das Angebot so besser ausgenutzt.
Auf der einen Seite wolle man also die Nachfrage ein bisschen besser verteilen auf die einzelnen Abteile. Auf der anderen Seite, vermutet Grossenbacher, wollte die ÖBB schauen, wie preissensibel die Leute sind. «Werden die Leute wirklich auf diese hohen Preise eingehen, oder nicht? Falls nicht, könnte ich mir vorstellen, dass man da auch schnell mal wieder eine Korrektur sehen wird».