70 Medaillen hat China an diesen Olympischen Spielen bereits geholt. Nur die USA haben noch mehr. Das Reich der Mitte fällt an diesen Spielen mit unglaublich vielen, sehr jungen, sehr talentierten Athletinnen und Athleten auf. China legt also besonderen Wert auf Sport. Warum ist das für die Regierung so wichtig? Und könnte China systematisch seine Athletinnen und Athleten dopen? China-Korrespondent Samuel Emch erklärt die Hintergründe.
Wie eng werden die Olympischen Spiele in China verfolgt?
Sie sind schon sehr präsent am TV wie auch auf Plattformen der Onlinemedien. Es gibt drei Fernsehkanäle hier in China, welche die Olympischen Spiele zeigen. Auch in den Sozialen Medien sind der Medaillensegen und die Kontroversen ein grosses Thema in diesen Tagen.
Wieso hat der Sport so einen hohen Stellenwert?
Der Sport ist für die chinesische Regierung ein Element von ‹Soft Power›. Das geht Jahrzehnte zurück. Bekannt ist das Beispiel der «Pingpong-Diplomatie», wo in den 1970er-Jahren über Freundschaftsspiele im Tischtennis die Annäherung zwischen den USA und China lanciert wurde.
Die Olympischen Spiele haben einen besonderen Stellenwert – auch wegen deren Ausstrahlungskraft. In der Schule hier wird gelernt, dass der Sprinter Liu Changchun der erste war, der China an den Olympischen Spielen in Los Angeles 1932 vertreten hatte. Und wenn wir ein bisschen in die jüngere Geschichte schauen, war Peking gleich zweimal Austragungsort: 2008 der Sommerspiele und 2022 der Winterspiele.
Welche Sportarten stehen im Fokus?
In China stehen mehr die Sommersportarten im Fokus. Das sieht man am Medaillenspiegel: Tischtennis, Kunstspringen, Schwimmen, Tennis. Je nach Erfolg steigt die Popularität. Das ist auch in China so.
Gibt es wie in Russland staatliches Doping in China?
Es gibt Dopingfälle, es gibt Skandale. Aber ein System wie in Russland ist hier nicht bekannt. Die Dopingaffäre beim Schwimmteam wird in China als eine amerikanisch-europäische Hetzkampagne angeschaut. Das hat in den Medien und auf Plattformen von Social Media zu heftigen Reaktionen geführt. Sportpolitisch kam die Forderung an die USA, sich zurückzuhalten, da von der dortigen Anti-Doping-Agentur die heftigsten Vorwürfe kamen. China ruft zur Zurückhaltung auf, vor allem auch mit Blick auf die nächsten Olympischen Sommerspiele in den USA. China will nicht, dass ihre Athletinnen und Athleten vorverurteilt werden.
In den Sozialen Medien wird nirgends hinterfragt, ob die chinesischen Schwimmerinnen und Schwimmer in einen Dopingskandal verwickelt sind. Es wird darauf verwiesen, dass diese Schwimmerinnen und Schwimmer im Vergleich zur US-Konkurrenz doppelt so häufig getestet wurden. Das Thema wird emotional, zum Teil auch irrational diskutiert. So wird zum Beispiel der Dopingvorwurf gerade umgedreht: US- und europäische Schwimmerinnen und Schwimmer seien gedopt.
Wie blickt Chinas Regierung auf kontroverse Sportlerinnen, wie beispielsweise die tätowierte Wu Yanni?
Yanni ist seit rund zwei Jahren eine kleine Social-Media-Sensation in China wegen ihrer Leistungen, aber auch wegen ihres extrovertierten Auftretens – für chinesische Verhältnisse. Wenn man in den chinesischen Sozialen Medien genau hinschaut, sind ihre Tattoos aber selten sichtbar: Häufig sind sie abgedeckt. Es gibt also eine Toleranz gegenüber einer guten Sportlerin. Auch wenn sie nicht dem gängigen Ideal entspricht.