Erstmals entdeckt wurde Omikron in Südafrika. Das war erst vor rund zehn Tagen. Seither sind dort die Infektionszahlen in die Höhe geschnellt. Die Gesundheitsbehörde Südafrikas spricht von einem «beispiellosen Anstieg» der Corona-Fälle. Der Virologe Wolfgang Preiser von der Stellenbosch Universität in der Nähe von Kapstadt ist einer der Mitentdecker der Variante. Im Interview äussert er sich zur Situation in Südafrika.
SRF News: Wie ist die aktuelle Lage in Südafrika?
Wolfgang Preiser: Leider sehen wir das, was wir befürchtet hatten – nämlich eine Zunahme und einen steilen Anstieg der Fallzahlen in Gauteng, der Provinz im Inland, wo das Ganze seinen Anfang genommen hat. Wir stellen auch immer mehr Spitaleinweisungen fest. Und auch hier in der Westkap-Provinz, um Kapstadt herum, sehen wir eine rapide Zunahme der Fallzahlen und schon erste Einweisungen. Mit anderen Worten: Auch uns hat jetzt die vierte Welle erreicht.
Wie schwer sind denn die Erkrankungen?
Bislang überwiegend mild. Ich muss dazu allerdings sagen, dass es sich nach wie vor eher um die jüngere, da mobile, reisende und berufstätige Bevölkerung handelt, und weniger um die eigentlichen Risikogruppen. Und es ist natürlich auch noch früh. Wenn man aber beobachtet, dass jetzt auch immer mehr Leute wegen Covid ins Spital eingeliefert werden, fragt man sich, wie das in den nächsten Wochen noch sein wird. Wir können es immer noch nicht abschliessend sagen.
Auch Kleinkinder sind vor Omikron nicht gefeit, das ist neu. Weiss man, warum es zu einer Zunahme von Hospitalisationen von unter Fünfjährigen kommt?
Da gibt es verschiedene Vermutungen. Eine sagt, dass Kinder vermehrt infiziert werden, weil sie noch nicht geimpft sind. Ich bin mir nicht sicher, ob das stimmt. Auch hier kann man eigentlich nur sagen: Wir beobachten die Situation sehr engmaschig. Wir müssen schauen, wie sich das weiterentwickelt, denn wir wissen es letztlich nicht.
Man weiss noch vieles nicht. Diese Variante ist ja auch erst seit rund zehn Tagen bekannt, es ist also noch sehr vieles unklar?
Genau. Wir haben jetzt rückwirkend positive Proben vom ganzen November getestet und haben hier in der Westkap-Provinz die erste Probe, datiert vom 17. November, gefunden.
Es scheint sich wirklich sehr rapide zu verbreiten.
Die aktuelle Entwicklung der klinischen Fallzahlen zeigt an: Omikron kann noch nicht so lange hier gewesen sein. Es scheint sich wirklich sehr rapide zu verbreiten. Leider beobachten wir auch tatsächlich Durchbruch-Infektionen. Sprich Geimpfte, die trotz vollständiger Impfung eine Infektion erleiden.
Und diese Durchbrüche – kommen die dann häufiger vor als bei anderen Mutationen?
Das können wir noch nicht sagen. Das wird aber untersucht und man muss die Daten noch auswerten. Dafür ist es wahrscheinlich noch ein bisschen früh. Erste Untersuchungen weisen aber darauf hin, dass Genesene ein erhöhtes Risiko einer erneuten Infektion mit Omikron haben – verglichen mit früheren Varianten. Wie das mit den Geimpften ist, wissen wir noch nicht. Letztlich fürchte ich aber – das ist aber rein anekdotisch aus der Beobachtung im Kollegenkreis – dass auch hier eine vermehrte Tendenz zu Durchbruch-Infektionen besteht.
Wie geht es nun weiter in Südafrika? Ist die Spital-Infrastruktur stark genug für die neue Welle?
Wir bereiten uns auf ein Worst-Case-Szanario vor, sprich eine Vielzahl von Patienten und Einweisungen. Ich bin aber relativ zuversichtlich, dass zumindest in unserer Provinz, im Westkap, das Gesundheitssystem einem Ansturm standhalten wird. Natürlich schwebt immer noch die Hoffnung im Raum, dass durch die Impfungen und durchgemachten Infektionen viele Fälle klinisch milder verlaufen und viele gar nicht ins Spital müssen. Die jetzige Urlaubssaison stellt eine zusätzliche Herausforderung dar. Für viele Mitarbeiter im Gesundheitswesen ist es jetzt schon der zweite Weihnachts- und Sommerurlaub, der diesmal ausfällt.
Das Gespräch führte Beat Soltermann.