Die praktisch gleichzeitigen Explosionen von hunderten Pagern am Dienstag und von Funkgeräten am Mittwoch, die von Hisbollah-Mitgliedern in Libanon benutzt wurden, sorgen für weltweites Aufsehen.
Schnell wurde vermutet, dass Israel hinter den Attentaten stecken soll. «Die Message ist klar: Schon nur die physische Nähe zu Hisbollah-Leuten kann gefährlich sein», sagt SRF-Nahostkorrespondent Thomas Gutersohn. «Diese Messsage verbreitet Israel in Libanon seit Monaten.»
Es war ein potenter Akteur
Sicher ist: Hinter dem mutmasslich seit langem geplanten und vorbereiteten komplexen Anschlag – Tausende Pager wurden offenbar mit Sprengstoff und einem Auslöser präpariert – muss ein potenter Akteur stecken.
Der Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom spricht von «einer operativen Glanzidee», mutmasslich des israelischen Geheimdienstes. Schmidt-Eenboom leitet das Weilheimer Institut für Friedenspolitik und hat mehrere Bücher über die Arbeit der Geheimdienste geschrieben.
Für die Geheimdienstexpertin Aviva Guttmann ist, im Gegensatz zu Schmidt-Eenboom, sogar sicher: «Israel hat einen Spion in den Reihen der Hisbollah gehabt.»
Dieser müsse gewusst haben, an wen die präparierten Pager gehen würden, damit unbeteiligte Opfer möglichst vermieden werden konnten. «Auch auf technologischer Ebene musste man sicherstellen, dass die Pager auf das entsprechende Signal hin wirklich explodieren», so die Baslerin, die an der Universität Aberystwyth in Wales im Bereich Strategie- und Geheimdienstforschung doziert.
Israels Geheimdienst meldet sich zurück
Israel zeige mit dem Anschlag, dass sein Geheimdienst auch nach dem Versagen am 7. Oktober – damals überfielen Hamas-Terroristen aus dem Gazastreifen Israel, töteten rund 1200 Menschen und verschleppten über 200 in den Gazastreifen – nach wie vor potent sei, sagt Guttmann.
«Das ist eine der Messages, die Israel mit dem Pager-Attentat senden wollte.» Den Hisbollah-Leuten solle vorgeführt werden, dass sie nirgends mehr sicher seien.
Dürfen Geheimdienste alles machen?
Angesichts des riesigen Ausmasses an Verletzten in Libanon, einem Land, das wirtschaftlich seit Jahren am Abgrund steht, stellt sich auch die Frage, ob es nicht rote Linien gibt, welche für Aktionen der Geheimdienste gelten.
Es zeigt sich – es kommt darauf an, wen man fragt: Für Schmidt-Eenboom gibt es die – zumindest für die Nachrichtendienste der mächtigsten Länder – nicht. Und er nennt Beispiele: «Die USA haben unter Präsident Obama über 500 Raketenangriffe mittels Drohnen durchgeführt, bei denen Dutzende Unbeteiligte starben. Und Russland lässt einen Auftragsmord nach dem anderen in Europa verüben.»
Ein bisschen anders schätzt das Geheimdienst-Expertin Guttmann ein – und verweist auf die Haltung der Forschung, die postuliere, dass für Geheimdienste eigentlich ähnliche Regeln gelten sollten, wie im Kriegsvölkerrecht. Allerdings sei das Besondere an den Geheimdiensten ja gerade, dass sie eben geheim operieren und sich nicht an Gesetze halten müssten.
Manche Geheimdienst-Chefs hätten immerhin eine persönliche moralische Grenze zugegeben, so Guttmann: Nämlich dann, wenn eine Attacke auffliegt. Aber: «Wenn es um Attacken geht, von denen man davon ausgehen kann, dass niemand davon erfahren wird, sind ethisch sehr, sehr fragliche Aktionen möglich.»
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