Fünf Jahre war Pierre Krähenbühl der höchstrangige Schweizer im UNO-System. Erfolgreich führte der frühere IKRK-Mann das Palästinenserhilfswerk. Kreuz und quer flog er um die Welt und überzeugte Geldgeber, die Organisation zu unterstützen – die Geldbeschaffung ist eine der ständigen und drängendsten Herausforderungen. UNO-Generalsekretär António Guterres lobte die Arbeit der UNRWA.
Doch dann kam Krähenbühls plötzlicher Abgang. Ausgelöst von einem vernichtenden, aber auch höchst umstrittenen Bericht der UNRWA-internen Ethikkommission: Von gravierender Managementkrise und Nepotismus war die Rede. Manche Vorwürfe betrafen die gesamte UNRWA-Führung, einige Krähenbühl persönlich.
Dieser wies damals gegenüber RTS die Anschuldigungen zurück. Auch heute sagt er, er habe sich nichts vorzuwerfen gehabt. Doch Guterres liess Krähenbühl fallen. Per Telefon forderte er ihn auf, sein Amt ruhen zu lassen, bis die Vorwürfe geklärt seien.
Der UNRWA-Chef trat nach dieser Misstrauenskundgebung sofort zurück. Näheres über Inhalt und Durchführung der Untersuchung mochte die UNO nicht mitteilen.
Die USA und Israel wollten den Kopf des als Mittelbeschaffer äusserst erfolgreichen Krähenbühl. Und sie haben ihn gekriegt.
Auch der Bundesrat stützte Krähenbühl nicht. Vielmehr entschied er rasch, die Beiträge an die Organisation einzufrieren, bis die Sache geklärt sei. Auch das ein Signal des Misstrauens.
Ob eine entschiedene Intervention aus Bern Krähenbühl viel geholfen hätte, ist zwar fraglich. Bekannt ist hingegen, dass Aussenminister Ignazio Cassis, anders als seine Amtsvorgänger, kein Freund der UNRWA ist. Er wirft ihr vor, nicht Teil der Lösung der Palästinenserfrage zu sein, sondern Teil des Problems.
Genauso sehen es Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu und US-Präsident Donald Trump. Der liess seine damalige UNO-Botschafterin Nikky Hailey erklären, es gäbe kein amerikanisches Geld mehr für die UNRWA.
Für Krähenbühl war klar: In diesem hyperpolitisierten Umfeld konnte er nicht gelassen das Ergebnis der UNO-Untersuchung abwarten; er musste gehen. Der damalige Genfer SP-Nationalrat und Aussenpolitiker Carlo Sommaruga drückte es nach Krähenbühls Abgang gegenüber SRF so aus: «Die USA und Israel wollten den Kopf des als Mittelbeschaffer äusserst erfolgreichen Krähenbühl. Und sie haben ihn gekriegt.»
Inzwischen ist die UNO-Untersuchung längst abgeschlossen. Doch weder der Generalsekretär noch die Mitgliedstaaten, auch nicht die Schweiz, machen sie öffentlich. Wer danach fragt, blitzt ab. Die RTS-Sendung «Temps Présent» gelangte an eine Kopie.
Hauptaussage: Von den persönlichen Vorwürfen an Krähenbühl bleibt so gut wie nichts hängen. Von der Affäre mit einer Untergebenen, die er zu seiner Beraterin gemacht hatte, ist keine Rede mehr. Es bleiben Kritik an Rekrutierungsprozessen und der Rat, Managementprozesse zu verbessern. Also letztlich sehr wenig.
Der Eindruck entsteht, dass die UNO-Spitze, aber auch UNO-Mitglieder wie die Schweiz, Krähenbühl opferten, um den UNRWA-Gegnern, angeführt von Washington und Jerusalem, keinen Anlass zu geben, das Hilfswerk zusätzlich unter Druck zu setzen.
Nachfolger als UNWRA-Chef ist wiederum ein Schweizer, Philippe Lazzarini. Die Untersuchungen seien abgeschlossen, die Lehren seien gezogen worden, sagte er nach seinem Amtsantritt gegenüber Radio SRF. Es amtiere nun eine neue Führung. So lasse sich das verloren gegangene Vertrauen in die UNRWA wiederherstellen. Es sei an der Zeit, das Kapitel abzuschliessen.