- Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus soll eine Übergangsregierung in Bangladesch anführen.
- Das bestätigte das Büro von Präsident Mohammed Shahabuddin. Die offizielle Ernennung ist aber noch nicht erfolgt.
- Die zuletzt zunehmend autokratisch regierende Ministerpräsidentin Sheikh Hasina war am Montag nach Massenprotesten ausser Landes geflohen.
Der 84-jährige Yunus soll demnach bis zu einer Neuwahl an der Macht bleiben. Wann diese stattfinden soll, ist bislang unklar. Yunus sei die von den Demonstranten gewünschte Person für die Aufgabe, sagte Studentenführer Nahid Islam. BBC Bangla zitierte eine Sprecherin von Yunus, der Nobelpreisträger sei bereit für diese Rolle.
Experte: «Yunus gilt als unabhängig»
«Yunus wird von den Studenten als unabhängiger Mann gesehen, der die Interessen des Volkes am besten vertreten kann», sagte Bangladesch-Experte Thomas Kean von Crisis Group der Deutschen Presse-Agentur. Yunus und seiner Grameen Bank wurden im Jahr 2006 der Friedensnobelpreis verliehen, weil sie mit kleinen Darlehen vielen Menschen geholfen hatten, der Armut zu entfliehen.
Die Entscheidung für Yunus sei bei einem Treffen des Präsidenten mit Vertretern der Protestbewegung und des Militärs getroffen worden, hiess es.
Kean zufolge besteht eine gute Chance, dass das Militär auf die Studierenden hört. Sie hätten eine grössere Legitimität als die Parteien, die als Teil eines alten politischen Systems gesehen würden. Das Militär selbst zeigt ihm zufolge wenig Interesse, selbst die Macht zu behalten.
Relative Ruhe nach Gewalt
Nach den wochenlangen Demonstrationen, die am Montag mit dem Sturm des Palastes von Regierungschefin Hasina und ihrer Flucht ins Ausland einen Höhepunkt erreichten, war die Lage auf den Strassen der Hauptstadt Dhaka am Dienstag weitgehend ruhig.
Eine von Hasina verhängte Ausgangssperre wurde wieder aufgehoben. Auf den Strassen waren aber nur wenige Menschen – auch aus Sorge, es könnte erneut zu Zusammenstössen kommen.
Noch in der Nacht davor soll es Berichten zufolge zu weiterer Gewalt gekommen sein. Mehr als 100 Menschen seien im ganzen Land getötet worden, berichteten lokale Medien unter anderem unter Berufung auf örtliche Behörden. Bei den Opfern soll es sich demnach vorwiegend um Gefolgsleute von Hasina gehandelt haben.
Protestierende haben den Berichten zufolge auch Häuser von Parteiangehörigen von Hasinas Awami-Liga gestürmt und geplündert.
Hasina war in den vergangenen 15 Jahren ununterbrochen Regierungschefin. Menschenrechtsorganisationen warfen ihr vor, gezielt gegen Kritiker vorgegangen zu sein. Tausende wurden verhaftet. «Ein Grund für die breite Unterstützung der Protestbewegung ist die Tatsache, dass das Land seit 15 Jahren keine Wahlen mit echter Konkurrenz gesehen hat», erklärte Experte Kean.
Proteste mit aller Härte niedergeschlagen
Bei den Protesten seit Juli hatten zunächst Studierende die geplante Wiedereinführung einer kontroversen Quotenregelung für Jobs im Öffentlichen Dienst kritisiert, die später vom Obersten Gericht zurückgedreht wurde. Aber auch danach weiteten sich die Unruhen aus. Mehr und mehr Bevölkerungsgruppen forderten den Rücktritt Hasinas.
Die Regierungschefin versuchte, die Proteste mit aller Härte niederzuschlagen. Sie ordnete Ausgangssperren an, liess zeitweise das Internet blockieren und schicke Polizei sowie Armee durch das Land. Bei Zusammenstössen mit Demonstranten wurden Medienberichten zufolge mehr als 300 Menschen getötet.