- Frankreichs wiedergewählter Präsident Emmanuel Macron hat mit seinem Mitte-Lager die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung klar verfehlt.
- In der Endrunde der Parlamentswahl kommen die Liberalen gemäss Innenministerium auf 245 der 577 Sitze.
- Das neue linke Bündnis, angeführt von Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon, ist mit 131 Sitzen im Parlament vertreten und wird damit stärkste Oppositionskraft.
Das Ergebnis ist ein schwerer Schlag für Macron, dessen Lager derzeit noch die absolute Mehrheit im Unterhaus des Parlaments hält. Denn normalerweise wird die kurz nach der Präsidentschaftswahl abgehaltene Parlamentswahl als Bestätigung gesehen, sodass oft die gleiche politische Kraft mit absoluter Mehrheit siegt.
Einen enormen Erfolg verbuchten hingegen das neue Linksbündnis und Mélenchon, die damit als mächtigste Oppositionsgruppe mehr Einfluss erhalten. «Das ist ein totales Debakel der Präsidentenpartei», sagte Mélenchon in Paris. Er sprach auch von einer «Wahlniederlage des Macronismus» und erneuerte den Anspruch des von ihm geführten Linksbündnisses, das Land regieren zu wollen.
Einen spektakulären Zuwachs verbucht die rechtsnationale Partei Rassemblement National, deren Spitzenkandidatin Marine Le Pen Macron in der Endrunde der Präsidentschaftswahl unterlegen war. Sie kam auf 89 Sitze – gut elfmal so viel wie bisher – und wird damit drittstärkste Kraft im Parlament.
Das ist ein Tsunami.
Die Partei feiert ihr eigenes Wahlergebnis als Durchbruch. «Das ist ein Tsunami», sagte Parteipräsident Jordan Bardella im Sender «TF1». Das französische Volk habe Staatschef Emmanuel Macron zu einem Minderheits-Präsidenten gemacht.
Marine Le Pen, die bei der Stichwahl um die Präsidentschaft den zweiten Platz belegte, sagte: «Das Volk hat sich ausgesprochen, es schickt eine sehr starke Gruppe des Rassemblement National in die Nationalversammlung.» Ziel sei es, im Parlament entschlossen Opposition gegen Macron und das Linksbündnis zu betreiben.
Unterstützung aus anderen Lagern nötig
Bei der Parlamentswahl ging es für Macron darum, ob er seine Vorhaben auch in seiner zweiten Amtszeit wird umsetzen können. Dafür benötigte er eine Mehrheit im Parlament. Mit einer nun nur noch relativen Mehrheit sind der Präsident und die Regierung gezwungen, Unterstützung aus den anderen Lagern zu suchen. Je nach Vorhaben werden sie sich auf Mitte-Links- oder Mitte-Rechts-Kräfte zu stützen versuchen.
Auch wenn viele Französinnen und Franzosen unzufrieden mit Macrons erster Amtszeit waren, profitierte der 44-Jährige davon, dass die Parlamentswahl in Frankreich als Bestätigung der Präsidentschaftswahl empfunden wird. So nehmen traditionell vor allem Unterstützer des Gewinners an der Abstimmung teil, andere bleiben häufig zu Hause. Dennoch konnte das Linksbündnis genügend Unterstützer mobilisieren, um es dem Präsidenten nun schwer zu machen.