Emmanuel Macron war sein Trauzeuge – und umgekehrt war Marc Ferracci es, der danebenstand, als Macron seiner Frau Brigitte das Jawort gab. Ferracci ist ein intimer Vertrauter des französischen Präsidenten, auch politisch: Während der letzten fünf Jahre arbeitete der Wirtschaftsprofessor für dessen Regierung, unter anderem als Berater der Arbeitsministerin und des Premierministers. Den französischen Machtapparat kennt er also von innen.
Ferracci hat nie in der Schweiz gelebt
Nun soll Marc Ferracci die Auslandfranzösinnen und -franzosen der Schweiz in Paris vertreten. Doch in der Schweiz gelebt hat er nie, wie er an der Wahlkampf-Veranstaltung in Lausanne unumwunden zugibt. «Meine Verankerung muss ich noch aufbauen – daraus mache ich kein Geheimnis.» Er kenne die Schweiz von den Ferien, Konferenzen, und habe allein in den letzten drei Wochen, in denen er durch die Schweiz tourt, schon sehr viel über die Anliegen der Auslandfranzösinnen und -franzosen gelernt – etwa in den Bereichen Rente, Schule und Steuern.
«Man muss die Probleme kennen, vor Ort sein und mit dem Team hier zusammenarbeiten, das werde ich tun», so Ferracci. Es brauche aber noch mehr: «Wenn man die Probleme identifiziert hat, muss man damit auch an die richtige Türe klopfen, die richtigen Gesprächspartner und Argumente kennen.» Das sei sein Vorteil – dank seiner Erfahrungen aus der Regierungsarbeit könne er effizienter arbeiten.
Trotzdem: bei der Konkurrenz sorgt Ferraccis Kandidatur für Kritik. Magali Mangin tritt für die linksgrüne Allianz «NUPES» an, die Macron die Mehrheit im Parlament streitig machen will. Sie findet es wichtig, das Leben und die Integration im Ausland und in der Schweiz aus eigener Erfahrung zu kennen. «Wie das wirklich funktioniert und auf welche Probleme man dabei treffen kann – das kann man nicht auf die Schnelle erfahren», sagt sie und verweist auf das mehrseitige Programm, das ihre Parteien-Allianz allein zu den Anliegen der Auslandfranzösinnen und -franzosen aufgestellt habe.
In Paris wird nationale, nicht lokale Politik gemacht
Für die Schweizer Franzosen kandidieren, ohne deren Alltag zu kennen? Das müsse nicht unbedingt ein Nachteil sein, sagt Frankreich-Politexperte Gilbert Casasus. «Es gibt ein Missverständnis bei der Wählerschaft, wenn sie erwartet, dass in Paris lokale Anliegen eine Rolle spielen», sagt er. In der Nationalversammlung gehe es um nationale Gesetze – nicht um lokale Politik.
Das Phänomen, dass Kandidierende in einem Wahlkreis antreten, ohne dort verwurzelt zu sein, nenne sich «Parachutage»: die Kandidatin oder der Kandidat wird also quasi von Paris aus «per Fallschirm abgeworfen». Das habe in Frankreich eine Tradition, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreiche. In Frankreich sei das akzeptiert, trotz aller Kritik: «Es ist typisch französisch: Die Franzosen kritisieren gerne alles», so Casasus, der selber Doppelbürger ist. «Aber eigentlich ist es dann doch besser, jemanden in Paris zu haben, der dem Präsidenten nahesteht, als jemanden, der nicht bekannt ist und kaum Einflussmöglichkeiten hat.»
Auch sonst hat Marc Ferracci beste Chancen zu gewinnen: Die Französinnen und Franzosen in der Schweiz haben bei der Präsidentschaftswahl mit grosser Mehrheit Macron gewählt. Das dürfte abfärben auf Macrons Mann in der Schweiz.