Der wiedergewählte Präsident Emmanuel Macron hat sein neues Kabinett vorgestellt. Viele Minister und Ministerinnen müssen zwar das Ressort wechseln, bleiben aber in der Regierung. SRF-Frankreich-Korrespondent Daniel Voll erläutert die Hintergründe.
SRF News: Steht diese Regierung für einen Neustart in Frankreich?
Daniel Voll: Ich würde sagen, nur für einen Neustart mit Vorbehalt. Es gibt viele bekannte Gesichter, die schon unter Premierminister Jean Castex in der Regierung vertreten waren. Nur wenige können in ihrem bisherigen Ressort bleiben, namentlich Wirtschaftsminister Bruno Le Maire, ein Schwergewicht, und Innenminister Gérald Darmanin sowie Justizminister Éric Dupond-Moretti. Die meisten anderen Minister und Ministerinnen werden das Ressort wechseln müssen.
Wie will Präsident Macron einen Neuanfang legitimieren, wenn es die gleichen Personen sind, einfach in einem anderen Ministerium?
Es geht auch um den symbolischen Charakter. Zum Beispiel Olivier Véran, der bisherige Gesundheitsminister: Er ist in den zwei Jahren der Pandemie zum Gesicht der Corona-Politik der Regierung geworden. Er hat seine Aufgabe relativ gut gemacht, entlassen konnte man ihn nicht. Aber es geht darum, dass Präsident Macron ein Zeichen setzen wollte, dass die Pandemie vorüber sei. Ein anderes Beispiel ist Olivier Dussopt. Der neue Arbeitsminister wird nun die brisante Rentenreform umsetzen müssen. Da ist es nützlich, wenn er den Ton mit den Gewerkschaften findet.
Gibt es denn auch neue Persönlichkeiten im neuen Kabinett?
Ich denke, die markanteste Persönlichkeit ist der neue Erziehungsminister Pap Ndiaye. Er ist Historiker, spezialisiert auf Diskriminierung von Minderheiten in den USA. Sein Vater stammt aus Senegal. Ndiaye ist schwarz und war bisher Direktor des Museums für Immigration in Paris. Er wird Erziehungsminister.
Wie sind die Posten unter den Parteien verteilt?
Präsident Macron versucht weiterhin, die Balance zwischen links und rechts in seiner Allianz zu halten. Pap Ndiaye beispielsweise kommt von links. Ganz klar von rechts dagegen die neue Aussenministerin Catherine Colonna. Sie ist Diplomatin, war bisher in London stationiert, war früher Sprecherin des konservativen Präsidenten Jacques Chirac. Neu im Kabinett sitzt auch der bisherige Fraktionschef der oppositionellen konservativen Républicains. Er hat gestern sein Parteiamt abgegeben und ist nun ganz neu im Kabinett.
Präsident Macron versucht weiterhin, die Balance zwischen links und rechts in seiner Allianz zu halten.
In drei Wochen noch Parlamentswahlen an. Wie hoch schätzen Sie das Risiko für Präsident Macron ein, dass er aufgrund des Resultats nochmals eine neue Regierung ernennen muss?
Es würde zumindest den Erfahrungen widersprechen. Denn bisher haben alle Präsidenten der Fünften Republik in Parlamentswahlen, die unmittelbar nach der Präsidentenwahl stattgefunden haben, auch im Parlament eine Mehrheit erhalten.
Das Wahljahr 2022 ist etwas speziell
Allerdings muss man sagen: Das Wahljahr 2022 ist etwas speziell. Denn Emmanuel Macron ist auch der erste Präsident seit Charles de Gaulle, der ohne eine Zusammenarbeit mit einem Ministerpräsidenten aus einer anderen Partei bestätigt wurde. Nach Umfragen ist dieses Risiko im Moment eher klein. Das linke Wahlbündnis unter Jean-Luc Mélenchon könnte zwar mehr Stimmen machen als die Allianz um Präsident Macron, aber aufgrund des Mehrheitswahlrechts könnte es Macron trotzdem zu einer Mehrheit reichen.
Das Gespräch führte Roger Brändlin.