Frankreichs Präsidenten werden oft als Wahlmonarchen bezeichnet. Verglichen mit Amtskollegen in anderen Ländern haben sie überdurchschnittlich viel Macht und bestimmen auch die Tagespolitik.
Emmanuel Macron hat dies besonders intensiv betrieben. Er führte seine Regierungen an der kurzen Leine. Seine verfassungsmässigen Kompetenzen hat er bis zum Limit ausgereizt. Zum Beispiel die umstrittene Rentenreform vor einem Jahr drückte der Präsident mit der politischen Brechstange durchs Parlament, weil seine Koalition dort nur noch über eine relative Mehrheit verfügte und er ein Scheitern befürchten musste.
Macron verliert Einfluss
Diese Rolle hat nach den Wahlen für die Nationalversammlung ausgedient.
Eine «Cohabitation» mit einem Premier Jordan Bardella bleibt Emmanuel Macron zwar erspart. Doch Präsident Macron hat durch die Neuwahl trotzdem einen grossen Teil seines Einflusses verloren.
Er bleibt zwar Oberkommandant der Armee und zuständig für die Aussenpolitik. Aber die gesamte Innenpolitik wird künftig durch die Regierung definiert. Diese muss sich mit dem Parlament verständigen.
Das Parlament wird neu zum Ort, wo Gesetze beraten und bewilligt werden. Dies wird nicht einfach werden. Denn die neue Nationalversammlung ist stark polarisiert, und die Fähigkeit der Parteien, im Parlament Kompromisse einzugehen, ist grundsätzlich schwach entwickelt.
Hier nachzuhelfen, das soll künftig die Rolle des Präsidenten sein. Die Verfassung macht ihn zum Vermittler zwischen den Parteien, zum Garanten der nationalen Einheit.
Zuhören statt einsames Bestimmen
Dabei wird Emmanuel Macron den Parteien gut zuhören müssen. Dies war bisher nicht seine Stärke. Er fällte lieber einsame Entscheide, wie der Beschluss zur Auflösung der Nationalversammlung vor vier Wochen gezeigt hat.
Doch wenn Frankreichs Präsident eine Blockade in der Politik vermeiden will, dann muss er diese Qualität entwickeln. Denn auflösen kann er die neue Nationalversammlung frühestens in einem Jahr.