Im September 2019 feierten arabische Wählerinnen und Wähler in Israel. Sie hatten für vier Parteien mit ganz unterschiedlichen Profilen gestimmt, die eines vereint: Sie vertreten die arabischen Israeli, die immerhin 20 Prozent der Bevölkerung ausmachen.
Der Erfolg von 2019 und 2020
Der Erfolg kam nach einem äusserst hässlichen Wahlkampf: Premier Benjamin Netanjahu hatte die arabischen Bürgerinnen und Bürger Israels pauschal als Staatsfeinde verunglimpft.
Das stiess auch dem Kommunisten Ofer Cassif auf, der als einziger Jude für das arabische Parteienbündnis im Parlament sitzt. «Ich stelle mir Netanjahu schon im Gefängnisoverall vor», sagte er damals. In Anspielung auf den Korruptionsprozess, von dem der Premier mit seinem anti-arabischen Wahlkampf abzulenken versucht hatte. Er kam zwar nicht ins Gefängnis. Aber bei den Neuwahlen im März 2020 legte die Vereinigte Liste der arabischen Parteien erneut zu.
Die Spaltung
Nun ist aber klar, dass eine der vier Parteien das Bündnis verlässt und bei den Wahlen im März allein antritt. Cassif macht Netanjahu für die Spaltung mitverantwortlich: «Jedes Mal, wenn Netanjahu um seine Macht fürchtet, intrigiert er und sät Zweifel bei den Parteien, die ihm gefährlich werden könnten. So hat er die Linke gespalten, und nun macht er dasselbe mit uns.»
Netanjahu nutze das sehr unterschiedliche Werteverständnis der arabischen Parteien aus, so Cassif. Denn der religiös-konservative Block des arabischen Bündnisses liebäugle nun plötzlich mit der Zusammenarbeit mit Netanjahu und den rechten jüdischen Parteien.
Die Hoffnung der Aussteiger
Der Knesset-Abgeordnete Said al-Harumi ist Mitglied der islamischen Bewegung, die sich vom Bündnis abgespalten hat. Cassifs Vorwürfe weist er zurück. Auch für ihn sei Netanjahu ein rotes Tuch. Dies sei nicht der wahre Grund für die Spaltung.
«Religion muss Teil des gemeinsamen Parteiprogrammes sein: Also der Respekt vor dem muslimischen, christlichen und jüdischen Glauben», sagt Said al-Harumi. So gehörten etwa die Rechte von Homosexuellen, wie sie die nicht-religiösen Parteien des Bündnisses anstrebten, nicht ins Programm.
Es gehe auch um politische Mitwirkung, so al-Harumi: «Die Wahrheit ist doch, dass Israel nur scheinbar demokratisch ist: Die arabische Bevölkerung darf zwar Abgeordnete wählen, aber diese haben keinen Einfluss. Deren Regierungsbeteiligung komm für die zionistischen Parteien nicht in Frage.»
«Auch für uns ist die Zusammenarbeit mit Netanjahu undenkbar. Aber die Rechte dominiert nun einmal die Politik. Mit wem sollen wir denn zusammenarbeiten, wenn wir etwas für unsere Wählerschaft erreichen wollen?», fragt al-Harumi.
Verrat und Folgen
Tatsächlich war die Mehrheit des arabischen Parteienbündnisses nach den letzten Parlamentswahlen über ihren Schatten gesprungen und hatte Netanjahu-Herausforderer Benny Gantz unterstützt. Doch dieser wollte nicht mit der Hilfe arabischer Parteien Premier werden und bildete mit seinem Rivalen eine Regierungskoalition.
Ein beispielloser Verrat, sagt der Politologe Said Zidani: «Gantz hat damit nicht nur die arabischen Parteien, sondern auch seine eigene Partei verraten.» Gantz sei als Mitte-Links-Kandidat zu den Rechten übergelaufen. Mit Folgen für die nächsten Wahlen: «Zum ersten Mal haben Israelis nur die Wahl zwischen rechten Parteien. Wir wissen jetzt schon, dass die Rechte gewinnen und die Regierung bilden wird.»
Vor diesem Hintergrund bleibe den arabischen Parteien nur die Wahl zwischen wirkungsloser Parlamentsopposition oder einer gewissen Bereitschaft, mit der Rechten zusammenzuarbeiten, folgert der Politologe.