«Wir werden eine Regierung bilden,» rief Albin Kurti seinen Anhängern in der Wahlnacht zu. Kein Zweifel, Kurtis Partei Vetevendosje (Selbstbestimmung) ist die Wahlsiegerin mit rund 41 Prozent der Stimmen. Das ist ein Sieg, aber es ist keine absolute Mehrheit mehr, so wie noch vor vier Jahren. Diese 41 Prozent dürften für knapp 50 der 120 Parlamentssitze reichen. Kurti regiert auch bisher schon mit den Abgeordneten zweier Kleinparteien und einigen Minderheitenvertretern. Aber für eine Parlamentsmehrheit braucht Kurti 61 Abgeordnete, also fehlen ihm noch etwa elf.
20 Abgeordnete für Minderheiten
Nun sind im kosovarischen Parlament durch die Verfassung je zehn Sitze für die serbische Minderheit und weitere zehn Sitze für alle anderen Minderheiten (Roma, Aschkali, Balkan-Ägypter, Bosniaken, Türken und Goranen) reserviert. Aus diesen 20 Abgeordneten könnte Kurti versuchen, die nötigen (ungefähr) elf für eine Regierungskoalition zu gewinnen.
Aber wenn es gelänge, dann wäre so eine Regierung naturgemäss höchst fragil. Denn jeder der Minderheitenvertreter könnte jederzeit extreme Forderungen für seine Volksgruppe stellen und mit einem allfälligen Austritt aus der Koalition drohen. Damit hätte jeder Minderheitenvertreter die Macht, jederzeit die Regierung zu sprengen. Es wäre wahrlich keine bequeme Situation für Regierungschef Kurti.
Kurti: Keine Regierung mit PDK und LDK
Auf der Seite der Opposition möchte vor allem die konservative PDK nur zu gern zurück in die Regierung. Sie war einst die mächtigste Partei Kosovos. Heute muss sich ihr ehemaliger Parteichef Hashim Thaçi in Den Haag vor einem Spezialgericht wegen mutmasslichen Kriegsverbrechen verantworten.
Laut dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk des Kosovo RTK schliesst PDK eine Regierungskoalition mit Albin Kurti nicht aus. Bloss: Albin Kurti wurde im Wahlkampf nicht müde zu betonen, er werde nicht mit den beiden konservativen Altparteien PDK und LDK zusammen eine Regierung bilden. Und wie zur Bestätigung bezeichnete er in einer Rede in der Wahlnacht die Mitglieder der drei grössten Oppositionsparteien als «Tiere».
Sehr fragiles Kabinett zu erwarten
Kurti weiss natürlich: Wenn er es nicht schafft, eine Regierung zu bilden, werden es diese drei Parteien versuchen – und wahrscheinlich auch schaffen. Aber es wäre ebenfalls eine sehr heterogene Regierungskoalition. Mit hohem Konfliktrisiko und hoher Wahrscheinlichkeit über kurz oder lang auseinanderzubrechen und Neuwahlen auszulösen.
Kurzum: Ob die Linke oder die Rechte in den nächsten Wochen eine Regierung zusammenschustern wird, es dürfte ein sehr fragiles Kabinett werden. Und es ist wenig wahrscheinlich, dass so eine Regierung vier Jahre lang im Amt bleiben kann.