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Parlamentswahlen in Kosovo Kosovos alte Garde ist bei den Wahlen stark unter Druck

Der Wunsch nach einem tiefen Wandel in Kosovo lässt im Wahlkampf die Versäumnisse bei der Pandemie beinahe vergessen.

Das Gesundheitswesen in Kosovo ist in einem schlechten Zustand. Schon vor der Pandemie war das so. Zu wenig Geld und zu viel Misswirtschaft. Kein Wunder, dass die Spitäler in der Pandemie sehr schnell an den Anschlag kamen. Ein grosser Teil des Personals konnte monatelang keinen Tag mehr freinehmen – viele wurden krank.

Weil die Regierung den Spitälern trotzdem nicht mehr Geld zur Verfügung stellte, gingen junge Leute ohne Stelle ungewöhnliche Wege. «Wir sind zehn Allgemeinmediziner, die sich entschieden haben, in der Klinik für Infektionskrankheiten in Pristina gratis zu arbeiten, während der ganzen Pandemie», erzählte Jehona Krasniqi in einer Diskussionssendung im Fernsehen der Klan Kosova.

Zickzackkurs bei Prävention

Unter den ganz schwierigen Voraussetzungen hätten die Spitäler die Krise eigentlich gar nicht so schlecht gemeistert, sagt Agon Maliqi, politischer Analyst in Pristina. «Das Problem lag mehr bei der Prävention. Die Regierung hat die vorsorglichen Massnahmen willkürlich gelockert und verschärft und damit viel Glaubwürdigkeit verspielt.» Andere Länder hätten der Privatwirtschaft rasch mit Geld geholfen. In Kosovo habe es fast ein halbes Jahr gedauert, die Hilfen zu beschliessen und sie seien zu klein ausgefallen.

Insgesamt gab die Regierung in der Pandemie also eine schlechte Figur ab. Trotzdem spielt das Thema Pandemie im Wahlkampf kaum eine Rolle. Das sei typisch für Kosovos Politik, sagt Vjosa Musliu, Professorin für Politologie in Brüssel. «In den letzten 20 Jahren haben immer die ganz grossen staatspolitischen Themen die öffentliche Debatte bestimmt: das Verhältnis zu den USA, die Unabhängigkeit Kosovos und die Verhandlungen mit Serbien.» Alltägliche Probleme wie das Bildungs- oder das Gesundheitswesen hätten nicht diesen Stellenwert.

Leute wollen grundlegenden Wandel

Eine Studie zeigte zudem laut Musliu neulich, dass sich nur eine lächerlich kleine Zahl von TV-Debatten mit der Pandemie auseinandergesetzt hat.

So werden die bisherigen Machthaber bei den Wahlen am Wochenende nicht die Quittung für ihr Corona-Management erhalten. Aber sie werden trotzdem verlieren – da sind sich fast alle politischen Beobachter einig. Und zwar, weil die Mehrheit der Leute in Kosovo einen grundlegenden Wandel will.

Kosovo.
Legende: Kosovos Premierminister Abdullah Hoti an einer Medienkonferenz am 22. Dezember 2020 in Pristina. Das Verfassungsgericht hatte Neuwahlen angeordnet, weil die Bestätigung der Regierung im Juni durch eine ungültige Stimme zustande gekommen war. Keystone

Seit 20 Jahren liegt das Schicksal Kosovos in den Händen der ehemaligen Kommandanten des Unabhängigkeitskampfs. Heute haftet diesen das Image von korrupten Bossen an, die sich schamlos bereichert haben. Eine neue Generation von Politikern will sie verdrängen. Es sind Leute, die bisher nicht in zwielichtige Geschäfte verwickelt sind und die eigentlich schon die letzten Wahlen vor anderthalb Jahren gewonnen haben.

Vetevendosjë-Partei von Kurti will angreifen

Formiert haben sich diese Leute in der Vetevendosjë-Partei von Albin Kurti. Die Leute, die den Wandel wollen, werden wählen gehen – ungeachtet der Pandemie und der Möglichkeit, sich in einem Wahllokal anzustecken. «Die Wählermobilisierung ist gross, und eine grosse Mobilisierung kommt hier erfahrungsgemäss der Opposition zugute. Vor allem die Jungen sind sehr motiviert, die Partei Kurtis zu wählen», so Analyst Maliqi.

Wahlplakat mit Albin Kurti.
Legende: Wahlplakat der kosovarischen Partei Vetevendosjë (Selbstbestimmung) des früheren Premiers Albin Kurti. Keystone

So spielt die Pandemie bei den Wahlen gleich in zweifacher Hinsicht keine Rolle: Sie wird nicht der Grund sein, wieso die Leute für einen Machtwechsel stimmen. Und sie wird die Leute, die den Wechsel wollen, auch nicht von der Urne fernhalten.

Neue bürokratische Hürde für Wählende aus der Schweiz

Box aufklappen Box zuklappen

Bei den Parlamentswahlen in Kosovo spielt die Wählerschaft im Ausland eine grosse Rolle. Besonders in der Schweiz leben viele Menschen aus Kosovo. Doch die Teilnahme wird ihnen diesmal erschwert: Wer teilnehmen will, musste sich bei der Wahlkommission in Kosovo per E-Mail anmelden und dann auf einen Telefonanruf warten, um die Registrierung zu bestätigen.

Allerdings konnten viele den Anruf nicht entgegennehmen, weil sie nicht zugegen waren, wie Bekim Hoti berichtet, Vertreter der Oppositionspartei Vetevendosjë von Albin Kurti in der Schweiz.

Wem es gelungen sei, sich einzuschreiben, sorge sich jetzt, ob der Wahlzettel rechtzeitig per Post ankomme. Viele reisten deshalb nach Kosovo, um ihre Stimme persönlich abzugeben, so Hoti.

Dass die Behörden das Prozedere absichtlich erschwerten, um die Stimmen der Opposition zu drücken, lässt sich nicht beweisen. Aber das Vorgehen könnte Vetevendosjë ein bis drei Sitze kosten. Das könnte bedeuten, dass Kurtis Partei die absolute Mehrheit verfehlt.

Rendez-vous, 10.2.2021, 12:30 Uhr

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