1880 wurde Zagreb durch ein Erdbeben schwer beschädigt. Doch schon nach neun Tagen präsentierte der damalige Bürgermeister einen Wiederaufbauplan, der einen grossen Entwicklungsschub für die Stadt zur Folge hatte. Im März dieses Jahres gab es wieder ein Erdbeben in Zagreb. Ganze hundert Tage danach hat die Politik noch immer keinen Wiederaufbauplan vorgelegt. Zu viele Politiker und Bauunternehmer wollen sich ihren Anteil sichern und verhindern deshalb eine Lösung. Die Episode ist wie ein Gleichnis über die kroatische Politik.
Plenkovic versucht zu überzeugen
Am Donnerstag tritt der konservative Ministerpräsident Andrej Plenkovic an der Universität Zagreb auf, und erklärt, warum alles so lange dauert (Plenkovic: «Wer will denn schon eine schnelle Lösung?»). Doch überzeugend klingt das alles nicht.
Als SRF Ministerpräsident Plenkovic nach seinem Auftritt an der Universität trifft, wird dieser nicht müde, die Verdienste seiner Regierung aufzuzählen, vor allem die wirtschaftlichen Fortschritte. Doch auch hier: Sehr überzeugend wirkt das nicht, eher auswendig gelernt. Denn jeder und jede in Kroatien weiss: Plenkovic wankt. Spätestens, seit seine Partei Anfang Jahr die Präsidentschaftswahlen verlor.
Drohung vom rechten Lager
Noch viel schärfer als die Linke schiesst die politische Rechte gegen ihn. Der rechtsnationale Miroslav Škoro hat bereits erklärt, er werde mit der Regierungspartei nur zusammenspannen, wenn Plenkovic abtrete. Ein starke Drohung innerhalb des rechten Lagers angesichts der Tatsache, dass die Linke Wahlkoalition namens «Restart» in den Umfragen vorne liegt. Trotzdem: Selbst wenn die Linke gewinnen sollte, ist es wahrscheinlicher, dass die konservative Regierungspartei HDZ mit Hilfe einiger Rechtsnationalen rund um Škoro weiterregieren kann.
Diese Regierung musste elf Minister wegen Verdacht auf Korruption entlassen. Mit solchen Leuten zu arbeiten wäre der sichere Weg in die Hölle.
Der linke Spitzenkandidat, der Sozialdemokrat Davor Bernardic, gibt sich siegessicher, obwohl es höchst unsicher ist, ob er im Falle eines Wahlsieges auch eine funktionierende Regierungskoalition bilden könnte. Eine grosse Koalition mit Plenkovics Regierungspartei HDZ schliesst er trotzdem kategorisch aus, weil diese zu korrupt sei: «Diese Regierung musste elf Minister wegen Verdacht auf Korruption entlassen. Mit solchen Leuten zu arbeiten wäre der sichere Weg in die Hölle».
Tennis-Turnier mit Folgen
Viel Sympathien verscherzt hat sich Plenkovic, als er viel zu früh die Corona-Schutzmassnahmen aufhob. So ermöglichte er das Tennisturnier von Novak Djokovic, bei dem sich mehrere Spieler als Covid-19-positiv erwiesen. Statt eine weltweite Werbung für Ferien in Kroatien wurde das Turnier zu einem Debakel für die Tourismusindustrie. Plenkovic weigerte sich, trotz Körperkontakt mit Novak Djokovic, in die Selbstisolation zu gehen. Ein Entscheid, der ihm ermöglichte, weiter Wahlkampf zu machen, der aber bei vielen Bürgerinnen und Bürgern schlecht ankam.
Trotzdem: Diese Wahl ist offener denn je. Möglich ist eine linke oder eine rechte Regierung nach diesen Wahlen. Und das alleine ist schon eine gute Nachricht für die kroatische Demokratie.