Manchmal hilft nur noch eine Flasche Rotwein. AfD-Chef Tino Chrupalla hat Ärger an allen Fronten – und entkorkte am Dienstagabend, wie man in der «Bild-Zeitung» sehen kann, eine schöne Flasche. In seinem Bundestags-Büro. Aus Frust.
Da ist einerseits Maximilian Krah. Er ist AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl. Krah hat sehr gute Verbindungen zu den rechtsextremen Kreisen der AfD, in Äusserungen über Migration oder die EU gibt er sich sehr, sehr unzimperlich. Seine Sätze schafften es sogar in ein Gutachten des Verfassungsschutzes. Krah beschäftigte auch einen Mitarbeiter aus Dresden, Jian G., der nun verhaftet wurde – wegen «geheimdienstlicher Agententätigkeit» für China. Ein mutmasslicher Spion also, der das Europa-Parlament ausspähte, News aus dem Herzen der EU-Demokratie nach Peking funkte. Dennoch wird Krah Spitzenkandidat bleiben – doch Parteichef Chrupalla ist sichtlich verärgert, zitierte Krah sofort nach Berlin zum Gespräch.
Chrupalla ist verärgert
Und dann ist da noch Petr Bystron. Der AfD-Bundestagsabgeordnete soll Geld aus Russland angenommen haben – mutmasslich für Propagandadienste für Putins Regime. Auch hier wird ermittelt. Laut Geheimdienstquellen gibt es Tonbänder, welche die Verhandlungen dokumentieren – inklusive der Beschwerde Bystrons, man möge ihm das Bargeld doch künftig in kleineren Scheinen übergeben, mit 200er-Noten könne man ja nirgends bezahlen, nicht an der Tankstelle, nicht im Supermarkt.
Krah und Bystron, die zwei Kummerbuben Chrupallas. Die Partei, die vorgibt, sich für die Belange Deutschlands einzusetzen und damit nicht nur Grenzen des Geschmacks, sondern auch jene der Moral und im Fall einiger Exponenten auch Gesetze überschreitet, jene Partei also steht im Verdacht, mit fremden Mächten zusammenzuarbeiten und damit gegen Deutschland zu agieren. Das ist schlecht für die Klientel. Das spürt auch Chrupalla. An Medienkonferenzen ist er nie um eine ruppige Antwort verlegen («Das geht sie einen feuchten Kehricht an», sagte er schon auf Journalistenfragen). Doch jetzt gibt er sich schmallippig.
Für die AfD ist der Verfassungsschutz keine grosse Sache
Wohl in jeder anderen Partei, die im Bundestag vertreten ist, würden die Skandale zu Rücktritten führen, aus demokratischer Tradition, Checks and Balances. Die AfD-Leute geben sich zwar reuig, sie riechen den Ärger – aber politische Konsequenzen? Nö.
Wohl auch weil sie wissen: Grosse Teile der AfD-Basis interessiert schon lange nicht mehr, dass Beamte des Verfassungsschutzes die AfD beobachten und in Teilen als rechtsextrem einstufen. Dass Experten warnen oder Journalisten rechtsextreme Netzwerke aufdecken, zu denen AfD-Leute Kontakte pflegen. Die AfD-Welt besteht aus dem Messenger Telegram, aus Tiktok, aus Youtube-Kanälen oder Szene-Zeitungen. «Systemmedien» verdrehten sowieso alles, heisst es, man ruft: «Lügenpresse!». Es ist eine abgekoppelte Welt, wie man sie auch bei Sekten beobachten kann.
Nach der Europawahl im Juni stehen im September im Osten Deutschlands Landtagswahlen an. Vielleicht verursachen die jetzigen Skandale eine kleine Delle in der AfD-Performance – doch marginalisieren werden sie die AfD nicht. Höchstens bremsen sie das Wachstum in bürgerliche Schichten hinein. Aber die Hardcore-AfDler werden der Partei treu bleiben. Parteichef Chrupalla wird Gelegenheiten haben, wieder eine Flasche zu öffnen. Diesmal aber nicht aus Frust.