Hochrangige Politiker der Partei Alternative für Deutschland (AfD), Neonazis und finanzstarke Unternehmerinnen haben sich im November 2023 in Potsdam versammelt und die sogenannte Remigration diskutiert, die Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland. Rechtsextremismusexperte Felix Neumann ordnet diese Anschauung ein.
SRF News: Wie radikal ist das Gedankengut, das bei diesem Treffen besprochen worden ist?
Felix Neumann: Sehr radikal. Wir sprechen hier von der sogenannten Remigrationsidee, wobei Remigration klar als Euphemismus verstanden werden sollte, eine Verniedlichung von einer Sache, die als sehr rassistisch einzuordnen ist. Die Idee dahinter ist, dass man sowohl Asylsuchende als auch Ausländer mit dauerhaftem Bleiberecht, also Staatsbürger, die – warum auch immer – nicht nach Deutschland passen sollen, vertreibt oder auch deportiert. Ich glaube, da kann man gut erkennen, dass es sich um eine rassistische Idee handelt.
Wie rechtsextrem ist die AfD?
In Deutschland hat jedes Bundesland ein Bundesamt für Verfassungsschutz. Es gibt drei Bundesländer – Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen – in denen die AfD bereits als gesichert rechtsextremistisch gilt. In fünf weiteren Bundesländern hat sie den Status eines Verdachtsfalles. Somit hat Deutschland insgesamt acht von sechzehn Bundesländern, in denen die AfD entweder gesichert rechtsextremistisch oder eben in der Vorstufe ist.
Mit hohen Zustimmungswerten könnte es dazu kommen, dass die AfD in Parlamenten stark vertreten ist.
Wie gefährlich ist es, wenn eine starke Partei so extreme Tendenzen aufweist?
Es ist eine grosse Gefahr. Mit hohen Zustimmungswerten könnte es dazu kommen, dass die AfD in Parlamenten stark vertreten ist. Damit sitzt sie am Schalthebel. Wie gesagt ist das Gedankengut rassistisch, nationalistisch, auch antisemitisch. Das führt dazu, dass sich Tendenzen abzeichnen könnten, die entgegen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung wären.
Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz sagte, wer fordere, dass Personen mit Migrationsgeschichte das Land verlassen müssten, sei ein Fall für den Verfassungsschutz. Ist Deutschland gegen diese Art von Extremismus gewappnet?
Deutschland hat gute Möglichkeiten, sich dagegen zu wehren. Deutschland ist eine sogenannte wehrhafte Demokratie. Ich glaube, dass wir eine gute Zivilgesellschaft haben. Die Mehrheit der deutschen Bevölkerung wählt bei entsprechenden Wahlen demokratisch. Trotzdem darf man das Problem nicht kleinreden.
Ein Verbot der AfD hätte im finanziellen Bereich Vorteile.
Nach dem Geheimtreffen wird in Deutschland erneut diskutiert, die AfD wegen der rechtsextremen Tendenzen zu verbieten. Wie realistisch ist das?
Je mehr Beweise hervorgebracht werden, dass die AfD in vielen Stellen rechtsextremistisch, rassistisch usw. aufgestellt ist, desto wahrscheinlicher wäre, dass ein Parteiverbotsverfahren durchkommt. Allerdings muss ich darauf verweisen, dass solch ein Verfahren wahrscheinlich mehrere Jahre dauern würde.
Es gibt aber Politikerinnen und Politiker, die sagen, ein Verbot der AfD wäre ein Fehler. Wie schätzen Sie das ein?
Ein Parteiverbot hätte im finanziellen Bereich Vorteile. Jede Partei erhält finanzielle Unterstützung durch den deutschen Staat. Wenn man diese Hilfe kappen könnte, dann wäre das gut für die Demokratie in Deutschland. Andererseits könnte dies dazu führen, dass die AfD sich in eine Opferrolle begeben könnte. Damit könnte sie weitere Erfolge erzielen. Somit wäre ein Verbot das Gegenteil einer demokratiefördernden Initiative.
Das Gespräch führte Nicole Roos.