- Der britische Premierminister Boris Johnson wird in einem Untersuchungsbericht der Regierung zur sogenannten Partygate-Affäre scharf kritisiert.
- Johnsons Regierung habe in der Affäre Führungsversagen und fehlendes Urteilsvermögen gezeigt, heisst es in dem Bericht der Spitzenbeamtin Sue Gray.
- Gray hatte mehrere Partys am Regierungssitz in der Downing Street 10 während des offiziellen Lockdowns untersucht, bei denen Corona-Regeln gebrochen worden waren.
Im Abschlussbericht von Sue Gray, der Zweiten Ständigen Sekretärin des Kabinettsbüros, wird Premierminister Boris Johnson selbst nicht direkt für die Regelverstösse verantwortlich gemacht. Es ist aber von einem klaren Führungsversagen an seinem Amtssitz die Rede.
Am Regierungssitz waren während des Corona-Lockdowns immer wieder Partys gefeiert worden. Gray stellte im Bericht E-Mails und WhatsApp-Nachrichten zusammen, die zeigen, dass die Partys im Voraus geplant wurden, mit Absprachen über das Mitbringen alkoholischer Getränke.
Der Untersuchungsbericht von Sue Gray
Bei einer Party 2020 sei es zu übermässigem Alkoholkonsum gekommen, hiess es in dem Bericht. Auf zahlreichen Fotos im Bericht sind die Partys dokumentiert, auch Johnson ist mehrfach abgebildet. Die Feiern fanden während des Corona-Lockdowns statt, als strenge Kontaktbeschränkungen galten und etwa Angehörige nicht an Beerdigungen teilnehmen durften.
Die Geschehnisse seien hinter den zu erwartenden Standards weit zurückgeblieben, schreibt Gray im Bericht: «Viele dieser Veranstaltungen hätten nicht erlaubt werden dürfen. Die politische und administrative Führung muss für diese Kultur die Verantwortung übernehmen.» Es sei teils zu «exzessivem Alkoholkonsum» gekommen. Viele Menschen seien «bestürzt» über das Verhalten im Herzen der Regierung, schrieb Gray.
Die Polizei hat wegen der Regelverstösse mittlerweile insgesamt mehr als 120 Strafbefehle gegen Dutzende Teilnehmerinnen und Teilnehmer verhängt, in einem Fall auch gegen Johnson.
Johnson übernimmt Verantwortung
Premierminister Boris Johnson hat sich in der «Partygate»-Affäre verantwortlich für die Verstösse gegen Corona-Vorschriften am Regierungssitz gezeigt. Er will aber deswegen nicht zurücktreten. «Ich übernehme die volle Verantwortung für alles, was unter meiner Aufsicht stattgefunden hat», sagte Johnson im britischen Unterhaus. Er sei entsetzt über einige der Verhaltensweisen, die im vorliegenden Bericht beschrieben seien. «Ich bin beschämt und habe meine Lektion gelernt», sagte er unter lauten Spottrufen von der Oppositionsbank aus.
Scharfe Kritik von der Opposition
Oppositionsführer Keir Starmer von der Labour-Partei rief Johnson zum Rücktritt auf. Der Bericht zeige «den Moder, der sich unter diesem Premierminister ausgebreitet hat, in einer Regierung, die glaubt, dass für sie andere Regeln gelten als für die Allgemeinheit.»
Auch viele konservative Abgeordnete hatten sich zuletzt zunehmend empört und enttäuscht darüber gezeigt, dass sie ihren Premierminister verteidigen müssen.
Johnson hatte ursprünglich bestritten, dass es Partys an seinem Amtssitz gegeben habe. Er wolle nun diese Aussage korrigieren. Minister betonten, dass er das Parlament nicht getäuscht habe. Aber ein konservativer Abgeordneter sagte, aus dem Bericht liessen durchaus auf Irreführung schliessen. «Die Frage bleibt: Hat der Premierminister bewusst das Parlament getäuscht», sagte ein zweiter Abgeordneter. «Wenn man den Bericht und seine Schlüsse liest, ist es sehr schwierig, das in Abrede zu stellen.»