Darum geht es: Der japanische Ministerpräsident Fumio Kishida will im September nicht mehr für den Vorsitz der Regierungspartei LDP kandidieren. Damit gibt er gleichzeitig den Posten des Ministerpräsidenten auf, denn dieser ist traditionell an den Parteivorsitz geknüpft. Die Liberaldemokratische Partei ist seit 2012 an der Macht und kontrolliert beide Kammern des japanischen Parlaments.
Darum zieht sich Kishida zurück: Kishida war fast drei Jahre lang Ministerpräsident, eine in der neueren japanischen Geschichte relativ lange Amtszeit. Seine Regierung büsste jedoch aufgrund eines Spendenskandals an Beliebtheit ein. Auch die Wirtschaftslage schadete Kishidas Popularität. Die Haushalte litten darunter, dass die Preissteigerungen die Lohnerhöhungen übertrafen. «Die Japanerinnen und Japaner waren vor allem so unzufrieden, weil Kishida nicht genug gegen die Inflation unternommen hat», berichtet der Journalist Martin Fritz aus Tokio.
Die schwarzen Kassen: Der Korruptionsskandal in Kishidas Partei brachte das Fass schliesslich zum Überlaufen. Diverse Abgeordnete werden beschuldigt, systematisch Geld in schwarze Kassen geleitet zu haben. Es sei wichtig, den Menschen zu zeigen, dass sich die LDP verändere, sagte Kishida. Und dafür sei sein Rücktritt der erste Schritt. Demnach opfert sich der Premier also für seine Partei. An dieser Lesart meldet Fritz allerdings Zweifel an: «Viele Politiker geben ihrem eigennützigen Handeln gerne einen gemeinnützigen Anstrich.»
Kishidas Glaubwürdigkeitsproblem: Inhaltlich hat Kishida aber einen Punkt. Denn die Regierungspartei braucht tatsächlich ein neues Gesicht, wenn sie die Gunst der Japanerinnen und Japaner zurückgewinnen will. «Die Menschen fanden es nicht glaubwürdig, wie Kishida mit dem Spendenskandal umgegangen ist», sagt Fritz. Zwar löste Kishida Machtklüngel in seiner Parlamentsfraktion auf und setzte eine Verschärfung des Spendengesetzes durch. Zudem traten mehrere seiner Minister zurück. Weite Teile der Bevölkerung zweifelten aber weiterhin am Reformwillen des Regierungschefs: Denn bis ins engste Umfeld von Kishida wurden Gelder abgezwickt.
Kishidas Vermächtnis: In Erinnerung bleiben wird Premier Kishida vor allem wegen «Japans endgültigem Abschied von seiner pazifistischen Aussen- und Sicherheitspolitik», wie es Fritz ausdrückt. Diese Politikwende sei in der japanischen Politik und Bevölkerung breit abgestützt. Das Inselreich will künftig eine aktivere militärische Rolle in der Region einnehmen und rüstet militärisch massiv auf. So will es Chinas Hegemonieansprüchen in der Region und der Bedrohung durch Nordkorea entgegentreten. Gleichzeitig will Japan die Zusammenarbeit mit den USA weiter verstärken.
So geht es weiter: In Japan wird der Chef der regierenden Partei oder einer Parteienkoalition in der Regel Ministerpräsident. In fast der gesamten Nachkriegsgeschichte Japans bedeutete dies, dass der Ministerpräsident von Kishidas LDP gestellt wurde. Die LDP muss alle drei Jahre über ihre Führung abstimmen. Die nächste Wahl steht im September an, ein konkreter Termin steht noch nicht fest. Der ehemalige Verteidigungsminister Shigeru Ishiba und Ex-Aussenminister Toshimitsu Motegi zählen zu den Favoriten für die Nachfolge Kishidas.