Die gesetzgebende Gewalt. Im Fall des US-Kongresses ist die Bezeichnung irreführend. Das Parlament hat im letzten Jahr nur 34 Gesetze verabschiedet. Der Kongress hangelt sich von einem Übergangsbudget zum nächsten, konnte nur mit Ach und Krach einen Stillstand der Bundesverwaltung abwenden. Und schon Anfang März droht wieder ein solcher «Government Shutdown». Der gesetzgeberische Stillstand ist im Zweiparteiensystem der USA nichts Neues. Der «Gridlock» droht jeweils, wenn eine Partei das Weisse Haus kontrolliert und die andere zumindest eine Kongresskammer.
Doch der gegenwärtige Kongress ist besonders verkorkst. Das gilt vor allem für das Abgeordnetenhaus: Auf dem Papier haben die Republikaner in der grossen Kammer eine Mehrheit. Doch ihre Fraktion ist zerstritten, die äusserst knappe Mehrheit ist kaum zu kontrollieren. Das Resultat: Chaos, von Anfang an. Erst nach 15 Wahlgängen wählten die Republikaner mit Kevin McCarthy einen Speaker, einen Vorsitzenden. Nur Monate später wurde er von einigen Parteikollegen wieder aus dem Amt gehoben.
Abgeordnetenhaus war drei Wochen lang gelähmt
Es dauerte drei chaotische Wochen, bis ein Nachfolger gewählt war. Drei Wochen, in denen das Abgeordnetenhaus gelähmt war. Es scheint, dass der ganz rechte Flügel der Partei vielfach den Takt angibt: Gegen Joe Biden wurden Ermittlungen für ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet. Sie haben bis heute nichts zutage gefördert, was eine Amtsenthebung von Präsident Biden rechtfertigen würde.
Mit Pauken und Trompeten kündigten die Republikaner auch an, Minister Alejandro Mayorkas solle aus dem Amt gejagt werden. Sie sehen in ihm einen Hauptverantwortlichen für die Migrationskrise an der Grenze zu Mexiko. Doch dieses «Impeachment» von Mayorkas ist diese Woche in einer ersten Abstimmung spektakulär gescheitert. Die Republikaner bekamen keine Mehrheit zusammen – einmal mehr.
Kompromisse kaum erwünscht
Gesetzgeberische Resultate würden Kompromisse mit den Demokraten bedingen. Doch wenigstens ein Teil der Republikaner scheint nicht mehr daran interessiert: Vor kurzem erklärten die Republikaner noch, sie würden nur für neue Ukraine-Hilfe stimmen, wenn die Migrationskrise an der Grenze angegangen werde.
Lange Verhandlungen führten zu einem Ergebnis: Präsident Biden war bereit, die Migrationsgesetze deutlich zu verschärfen. Das konservative «Wall Street Journal» sprach vom restriktivsten Migrationsgesetz seit Jahrzehnten. Ein Erfolg für die Republikaner. Doch es ist ein Wahljahr. Und einer erklärte öffentlich, dass er nichts von diesem Kompromiss halte: Donald Trump. Er scheint sich die Migrationskrise als Wahlkampfthema erhalten zu wollen.
Er übte Druck auf republikanische Kongressmitglieder aus. Und anscheinend hatte er Erfolg: Der Ukraine- und Migrationskompromiss ist im Kongress am Widerstand der Republikaner gescheitert. Das zeigt auch, welchen Einfluss Trump innerhalb der Partei hat, obwohl er noch nicht einmal offiziell als Präsidentschaftskandidat nominiert wurde. Es ist offen, ob und wann der Kongress neue Ukraine-Hilfe spricht. Auch die Hilfe für Israel hängt in der Luft. Das Parlament scheint im Moment jedenfalls nicht richtig zu funktionieren. Das passt zu einer Demokratie, die besorgniserregende Krisensymptome zeigt.